WM-Bilanz: Zwischen sportlicher Brillanz und schwer aushaltbarem Sportswashing

Aus. Aus. Das Spiel ist aus. Vier Wochen lang war die Welt zu Gast in Katar. Es wurde diskutiert, gefeiert, boykottiert, wieder diskutiert und am Ende auch ein wenig Fußball gespielt. Was bleibt von dieser Weltmeisterschaft?

Die nüchterne Bilanz

Betrachtet man das Turnier nüchtern, muss man zunächst einmal der Fifa widersprechen. Wenn wir die Bewertung rein auf die Organisation des Turniers reduzieren, haben wir sicher nicht „die beste WM aller Zeiten“ erlebt. Die Stimmung vor Ort mag gut gewesen sein. Selten übertrug sich diese Stimmung auf den Zuschauer am TV-Bildschirm. Als Lionel Messi eine Stunde nach Abpfiff des WM-Finals durch das Stadion getragen wurde, saß fast niemand mehr im Publikum. Man vergleiche das mit den Szenen bei vergangenen Weltmeisterschaften, als noch Stunden nach dem Abpfiff die Fans auf den Tribünen feierten. In Erinnerung blieben auch die Bilder der Spiele des Gastgebers, als die Fans bereits in der Halbzeit das Stadion verließen. Stimmung lässt sich nicht von oben verordnen.

Sogar in der K.O.-Runde klafften sichtbare Lücken auf den Tribünen der Stadien. So gut wie nie gelang es den Organisatoren, sämtliche Stadionbesucher rechtzeitig auf ihre Plätze zu schleusen. Zur Stimmung trugen fast ausschließlich Fans aus Südamerika und aus der arabischen Welt bei. In Doha mögen sich auf kleinstem Raum tausende Menschen getroffen und ein großes Fest gefeiert haben. Diese Atmosphäre transportierte sich selten nach außen.

Dennoch hat FAZ-Autor Michael Horeni nicht Unrecht, wenn er schreibt, dass gerade Deutschland sich an Katar messen lassen muss. In zwei Jahren findet hierzulande die Europameisterschaft statt. Wir haben die Chance, ein Turnier auf die Beine zu stellen, das Inklusion lebt und zugleich bombastische Stimmung aus den Stadien in die Welt trägt.

Zugleich weist Horeni nicht zu Unrecht darauf hin, dass wir von Katar lernen sollten – zumindest im organisatorischen Bereich. Der Wüstenstaat bot manches, woran es in Deutschland hakt: eine reibungslose Internetversorgung etwa oder eine auf die Sekunde pünktliche Metro. Der Vergleich eines arabischen Emirats mit einem mitteleuropäischen Flächenland mag unfair klingen. Doch gerade im Bereich der Digitalisierung kann niemand behaupten, Deutschland gehöre zur Weltspitze. Es wird sicher manchen internationalen Journalisten geben, der in zwei Jahren stöhnt, wenn die Bahn mal wieder eine Stunde zu spät kommt oder das Internet im Stadion nicht funktioniert.

Die sportliche Bilanz

Der Gastgeber hatte das große Glück, dass gleich mehrere Nationen sich während der WM auf einer historischen Mission befanden. Brasiliens Elf um Superstar Neymar wollte sich aus dem Schatten der Vergangenheit lösen, Cristiano Ronaldo ein letztes Mal angreifen, Frankreich die historische Titelverteidigung erringen, Marokko Geschichte schreiben für Afrika, Arabien und vor allem für sich selbst. Diese Geschichten prägten die Weltmeisterschaft.

Keine Geschichte strahlte so hell wie jene von Lionel Messi. Allen war bewusst, dass dies Messis letzte Weltmeisterschaft sein wird: den argentinischen Fans, den Spielern, vor allem aber Messi selbst. Wie ein alternder Rocker lieferte er noch einmal ein Medley seiner besten Hits, von unglaublichen Assists über großartige Dribblings bis hin zu zahlreichen Toren. Das funktionierte nicht mehr über 90 oder gar 120 volle Minuten. Aber situativ sahen wir in Katar den Messi, der uns 15 Jahre lang verzaubert hat. Dass er am Ende den Pokal gewann, war das folgerichtige Ende dieses Turniers.

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Das Bild stammt von Kyrill Venedikt, Lizenz: CC BY-SA 3.0.

Argentinien bot den taktisch flexibelsten Fußball der WM. Doch auch die anderen Teilnehmer spielten modernen, teils spektakulären Fußball. Spanien und Deutschland lieferten sich bereits in der Gruppenphase ein Spiel, das man sonst nur in der Champions League erlebt. England und Frankreich duellierten sich in der K.O.-Runde auf noch höherem Niveau. Für die Wow-Effekte sorgten Argentiniens Spiel gegen die Niederlande oder die atemberaubenden Leistungen der Brasilianer und Portugiesen im Achtelfinale. Wer Underdog-Geschichten liebt, musste mit Marokko mitfiebern. Sportlich war für jeden etwas dabei.

Das ist keine Selbstverständlichkeit. Bei den vergangenen Turnieren war man froh, auch nur ein Spiel zu erleben, das die Dramatik des diesjährigen Finals erreicht hat. Die WM in Katar mag uns eine historisch hohe Anzahl an 0:0-Ergebnissen geschenkt haben. Ab dem Achtelfinale fielen jedoch auch mehr Treffer als je zuvor in einer K.O.-Phase. Diese Torflut sorgte nicht nur für spannende, sondern auch für spektakuläre Spiele.

Sportlich profitierte diese Weltmeisterschaft von ihrem historisch einmaligen Zeitpunkt. Die großen Stars des Weltfußballs reisten mitten in der Saison nach Katar. Fast alle standen vollständig im Saft, niemand wirkte erschöpft von einer körperlich wie emotional anstrengenden Saison. Bei manchen Akteuren wirkte es fast so, als hätten sie ihr Training so ausgelegt, dass sie Anfang Dezember ihr körperliches Plateau erreichen. Kein Champions-League-Finale und kein Meisterschaftsrennen standen dem im Weg. Eine Weltmeisterschaft kitzelt zudem bei jedem Spieler zusätzliche Energiereserven frei, egal ob sie in England oder Katar stattfindet.

Auch die Trainer trugen ihren Teil zum hohen Niveau bei. Die Trends, die wir im Klubfußball seit einem halben Jahrzehnt beobachten, sind flächendeckend bei den Nationalmannschaften angekommen. Das bedeutet: flache Spieleröffnung aus der Abwehr, mitspielende Torhüter, ausgeklügeltes Positionsspiel, eine weit nach vorne schiebende Abwehrreihe.

Fast alle Viertelfinalisten haben diese Trends befolgt, wenn auch mit einem Fokus auf Stabilität. Es war schließlich noch immer eine WM, und eine Niederlage kann hier schon das Ausscheiden bedeuten. Wir Deutschen haben das schmerzlichst zu spüren bekommen. Diesen Fokus auf Stabilität würzten alle erfolgreichen Teams mit einer ganz eigenen Spielweise. Alle Viertelfinalisten unterschieden sich voneinander in ihrer Herangehensweise, teils sogar krass. Nachdem das Spiel dreißig Jahre lang immer globaler und damit uniformer wurde, nationalisiert sich die Weltmeisterschaft wieder ein Stückchen weit. Rein sportlich gesehen tat das dem Turnier gut.

Beizeiten habe ich in den Sozialen Medien die Einschätzung gelesen, es sei die langweiligste WM aller Zeiten gewesen. Das dürfte eher das Wunschdenken der Boykott-Fraktion gewesen sein. Seit der EM 2000 verfolge ich Fußball-Turniere intensiv. Die WM 2022 war reicher an Höhepunkten und Geschichten als jedes andere Turnier in dieser Zeit. Der Sport hat nicht viel übrig für die Frage, unter welchen Bedingungen eine Weltmeisterschaft vergeben wird.

Die Kontroversen

In Deutschland schlug diese Weltmeisterschaft große Wellen, aber anders als sonst. Katar wurde seit Jahren heiß diskutiert als Gastgeber. Ihren Höhepunkt erreichte die Welle der Erregung rund um den Beginn der Weltmeisterschaft. Zig unterschiedlichste Themen hatten sich aufgetürmt. Beschwerden über eine WM im Winter oder ein Alkoholverbot im Stadion standen plötzlich gleichberechtigt neben Themen wie Katars Umgang mit Arbeitsmigranten oder der unendlichen Gier im internationalen Sportsystem. Alles wurde in einen Topf geworfen und solange vermischt, bis ein kaum zu verdauender Brei entstand. Alina Schwermer schrieb: „Es entstand eine Eigendynamik des Ekels, die irgendwann völlig das Maß verlor.“

Zugleich blieb die Ablehnung zu diffus für konstruktive Forderungen, gekränkt im eurozentrischen Fußballweltbild („Schlechte Stimmung“, „Winter-WM“, „Keine Tradition“). Es entstand eine Eigendynamik des Ekels, die irgendwann völlig das Maß verlor. Dass Ultras in Massen zum Frauenfußball oder Amateursport gingen, war empowernd, zeugt aber auch von einem unterkomplexen Verständnis: das vermeintlich Echte und Bodenständige gegen den bösen Kommerz. Es fehlt nicht nur Funktionär:innen, sondern auch vielen Or­ga­ni­sa­to­r:in­nen von Protest an kritischem Wissen.

Alina Schwermer in der taz

Überhaupt trifft Alinas Einschätzung zur Boykottbewegung viele Nägel auf dem Kopf. Ich mag mit ihren Schlussfolgerungen selten übereinstimmen; dazu ist mein eher liberales Weltbild zu weit von ihren linken Forderungen entfernt. Aber wenn sie schreibt, der deutsche Boykott habe mehr Interesse an Haltung gehabt als an Wirkung, muss ich heftig mit dem Kopf nicken.

Zwischenzeitlich ging es hierzulande um alles, nur nicht mehr um die Frage, die doch eigentlich vor der WM die drängendste war: Wie soll man umgehen mit einem reichen Staat, der für uns wirtschaftlich unabkömmlich ist, dessen Reichtum aber zugleich auf der Ausbeutung von Menschen aus ärmeren Ländern fußt und der ein erzkonservatives, fundamentalistisch-religiöses Weltbild verfolgt? Schon bei der Fragestellung lässt sich erahnen, wie komplex die Antworten auf diese Frage ausfallen müssen. Ausbeutung durch quasi-staatliche Unternehmen, globale Migrationsströme, Profiteure im Westen und im Osten, Unterschiede zwischen arabischer und europäischer Lebenswelten und der Einfluss eines kleinen Golfstaates auf Unternehmen und Verbände: All das sind hochkomplexe Themen, über die sich zu reden lohnt.

So weit kam die Debatte selten. Sie endete zu oft bei „Katar ist böse“ und „15.000 Menschen mussten sterben für diese WM“. Dass letztere Zahl nicht nachweisbar ist, dass überhaupt so vielen Menschen wichtig zu sein scheint, eine exakte Zahl der Toten benennen zu können, erscheint mir grotesk. Als wäre nur ein toter Mensch ein Opfer eines Systems der Ausbeutung. Und genau das ist es ja: ein System der Ausbeutung. Sicherlich, Katar ist nicht der erste Staat, der Immigranten schikaniert, und er tut das nicht einmal auf die schlimmstmögliche Art. Ein Blick über die Grenzen nach Saudi-Arabien oder in die Vereinigten Arabischen Emirate würde genügen. Von den Reformprozessen, die Katar angestoßen hat, sind diese Staaten meilenweit entfernt. Dennoch lässt sich nicht in Abrede stellen, dass Menschen in Katar übermäßig lange arbeiten in einem gefährlichen Klima – und dann teilweise nicht einmal ihren Lohn erhalten.

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Das Foto stammt – wie soll es anders sein? – von Kremlin.ru, ist aber unter der Lizenz CC BY 4.0 frei verbreitbar

Die Fifa brüstet sich damit, mithilfe dieser WM Katar zu Reformen verleitet zu haben. Es ist eine falsche Sichtweise. Der internationale Druck zwang Katar, Reformen anzukündigen. Ob diese in einem halben oder zwei Jahren noch Bestand haben, wenn die internationale Medienkarawane weitergezogen ist – daran darf man Zweifel haben.

Was die Fifa aber getan hat, fasste Nicholas McGeehan recht treffend zusammen. „Die Menschen sollten wütend sein über ein Fußballturnier, das eine Millionen zusätzliche Migrantenarbeiter in dieses System geschleust hat.“ Ja, den Wanderarbeitern in Katar wäre es keinen Deut besser ergangen, hätte die WM in Australien oder den USA stattgefunden. Aber es wären deutlich weniger Menschen in dieses System geraten. Das ist die Schuld der Fifa. Diese wehrt sich indes immer noch gegen einen Hilfsfonds für die Menschen, die mit dem Bau der Stadien die Weltmeisterschaft überhaupt erst ermöglicht haben.

Insofern sympathisiere ich auch nach dem Abpfiff der WM mit denjenigen, die mit diesem Turnier nichts zu tun haben wollten. Kein Fußballspiel der Welt war das Leid wert, das für die Ausrichtung dieser Spiele notwendig war. So wird Katar für mich nicht nur als sportlich starke, sondern auch als unnötige WM in Erinnerung bleiben. Die Qualität der Spiele wäre nicht schlechter gewesen in Australien, Indien oder Paraguay.

Die Grenzen des Protests

Gleichzeitig hat mir diese WM jede Hoffnung genommen auf einen ernsthaften Versuch, Wandel in das korrupte System der Fifa zu bringen. Zu viele Menschen innerhalb des Systems profitieren. Von außerhalb kann dieser Druck nur aus Europa kommen. Der Rest der Fußballwelt schert sich kaum um die Rechte von Arbeitern oder Minderheiten. Und wer will es ihnen auch verübeln? Ein kenianischer Fan erlebt zu Hause wesentlich schlechtere Arbeitsbedingungen als der nepalesische Wanderarbeiter in Doha, ein chinesischer Anhänger lebt genauso unfrei wie ein homosexueller Katari, ein argentinischer Fan freut sich, auch endlich ein Sommermärchen zu erleben. Wieso sollten sie sich zwanghaft über etwas aufregen, nur weil wir uns aufregen?

Die einzige Möglichkeit, die bliebe, wäre ein echter europäischer Boykott. Kein halbgarer wie der deutsche, der im internationalen Vergleich untergeht. Nicht etwa der Welt diktieren, wie eine Fußball-WM abzulaufen hat oder dass sie unbedingt zu dem Zeitpunkt stattfinden muss, der uns Europäern am besten passt. Es sollte um so banal klingende Dinge gehen wie die Frage, ob tatsächlich Menschen ausgebeutet werden müssen für den Bau von Stadien in der Wüste, die nachher sowieso niemand mehr nutzt. Ob es nicht möglich sein kann, alle Menschen willkommen zu heißen, unabhängig von Herkunft, Sexualität und Geschlecht.

Es gäbe Argumente für all das, die über ein einfaches „Ihr macht es falsch!“ hinausgehen. Gesellschaften profitieren nachweislich von einer fairen Behandlung aller Arbeiter, im Sinne von höherer Kaufkraft, weniger Verbrechen und einer höheren Produktivität der einzelnen Arbeiter. Ähnliche Argumente lassen sich für das Thema Gleichberechtigung finden. Wir diskutieren solche Fragen aber nicht mehr auf einer Sachebene, sondern nur noch als Haltungsfragen. Wenn der Gegenüber eine andere Haltung einnimmt, verteufeln wir ihn.

Nancy Faesers Auftritte vor und während der WM stehen für mich sinnbildlich für den deutschen Umgang mit diesen Themen. Vor der WM war ihr wichtig, vom Gastgeber den Satz zu hören, Homosexuelle seien während der WM in Katar sicher. Während der WM posierte sie mit der „One Love“-Binde auf der Tribüne. Beide Aktionen haben ihr Respekt eingebracht bei allen, die ihre Haltung teilen. Für die Verhältnisse vor Ort dürften sie nichts gebracht haben, im Gegenteil: Die deutsche Haltung hat viele in der Welt vor den Kopf gestoßen. Man könnte sagen: Haltung 100%, Wirkung 0%.

Letzte Abfahrt vor der Verzwergung

Im deutschen Protest steckte auch immer eine Art Selbstvergewisserung: Der deutsche Weg ist der richtige, der katarische ist der falsche. Wenn dieses Turnier aber eins unterstreicht, dann die bittere Wahrheit, dass die westliche Hegemonie an ihre Grenzen stoßt. Wirtschaftlich holen die Staaten Asiens rasant auf. Autoritäre Herrscher greifen die westliche Vorherrschaft mit zunehmendem Selbstbewusstsein an, unterstützt von einer wachsenden Mittelschicht in ihren Ländern, die immer stärker die nationale Propaganda ihrer Führer aufsaugt. Sie erfreuten sich an der WM in Katar. All sports, no politics!

Europa ist nicht mehr der Nabel der Welt. Prognosen zufolge wird Europas Anteil am weltweiten Bruttosozialprodukt bis 2050 auf unter 10% sinken. Beim Bevölkerungsanteil liegen wir bereits jetzt bei 10%, bis 2050 könnten wir auf 7% fallen. Deutschland stellt nicht einmal mehr einen Prozent der Weltbevölkerung. Wir sind nur ein kleiner Teil einer großen Welt.

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Treffen der Sympathen: Russlands Präsident Wladimir Putin und Saudi-Arabiens Herrscher Mohammed Bin Salman. Das Foto stammt von Kremlin.ru, Lizenz: CC BY 4.0

Der Fußball ist hier nur ein Schauplatz von vielen. Aber er ist für uns ein wichtiger. Der mittelalte europäische, zumeist männliche Fußball-Fan war es gewohnt, dass sich das Spiel seinen Sehgewohnheiten angepasst hatte. Um ihn drehte sich die Welt – vor allem die Welt der Sponsoren, welche das Geld gaben. Das bedeutete: Weltmeisterschaften fanden im Sommer statt, es wurde Bier getrunken und Schwein gegrillt, während wir die Spiele in Ländern verfolgten, deren Städtenamen uns bekannt klangen.

Doch diese Zeit endet. Für jeden europäischen Sponsor, der abspringt, öffnet eine saudi-arabische, chinesische oder indonesische Firma das Scheckbuch. Es schauen mehr als genug Menschen zu. Die Fifa kann auch mit dieser WM neue Zuschauer- und Einnahmenrekorde vermelden. Das hat viel mit dem Siegeszug der mobilen Bildschirme zu tun. Selbst ärmste Menschen in Afrika besitzen heutzutage Smartphones und können auf den Geräten WM-Spiele schauen. Doch nicht nur so lassen sich die Rekorde erklären. Fußball entwickelt sich zum beliebtesten Sport in Asien, er macht riesengroße Schritte in Nordamerika. Warum sollte es die Fifa jucken, wenn in Deutschland 14 statt 21 Millionen Menschen das Finale schauen? Der potenzielle Markt in Indien, China und Indonesien umfasst drei Milliarden Menschen.

Diese Verschiebungen im Machtgefüge verstehen wir Europäer nur langsam. In Deutschland kommen diese Veränderungen noch langsamer an, solange wir als größtes europäisches Land zumindest auf diesem Kontinent noch großen Einfluss genießen. Irgendwann müssen wir aber anfangen, uns der Frage zu stellen, wie wir in einer globalisierten Welt bestehen wollen. Wie wir Menschen in anderen Ländern überzeugen können, dass wir unseren Weg nicht nur aus Bequemlichkeit gehen, sondern dass es gute Gründe dafür gibt.

Diese WM sollte ein Anlass sein, darüber nachzudenken, wie wir Verbündete gewinnen. Saudi-Arabien steht bereits in den Startlöchern, um Weltmeisterschaft 2030 auszutragen. Sie wollen sich mit Ägypten und Griechenland zusammentun. Dieses Paket strahlt viel aus: Eine Länder, Regionen und Ethnien umspannende Weltmeisterschaft! Man mag sich gar nicht ausmalen, wie die Fifa solch ein Turnier für ihre eigenen Zwecke ausschlachtet.

Der europäische Fußball hat noch immer viel zu bieten – und sei es nur, dass die besten Spieler der Welt hierherkommen, um Millionen zu verdienen. Dieses Gewicht könnte der europäische Fußball nutzen. Nicht noch einmal sollten wir in die Situation kommen, politischen Protest auf die Ebene des privaten Boykotts zu delegieren. Die Fans können nichts verändern, die Spieler sind die falschen Ansprechpartner für solch komplexe Themen. Vom DFB braucht es nicht nur mehr Haltung – sondern auch mehr Wirkung abseits von der Hoffnung, irgendwann mal wieder ein Turnier ausrichten zu dürfen.

Wenn wir unseren Ansatz nicht verändern, stehen wir in acht Jahren wieder am selben Punkt. Dann können wir erneut Haltung zeigen, während der Rest der Welt eine Party in einem Land feiert, das Menschenrechte mit Füßen tritt. Aber der Fußball, der wird sicher wieder gut sein.

Danksagung und Blick in die Zukunft

An dieser Stelle gilt es nur noch, Dank zu sagen. Ein herzliches Dankeschön an all die Geduldigen da draußen, die Tag für Tag die Beiträge gelesen haben. Ich hoffe, meine Ergüsse zum Fußball und zum Drumherum dieses Turniers haben euch Freude bereitet!

Wie bereits vorgestern angedeutet, überlege ich, im kommenden Jahr ein Angebot zur Fußball-Bundesliga zu starten. Ich würde in ähnlicher Form wie in diesem Tagebuch den wöchentlichen Wahnsinn des deutschen und europäischen Fußballs begleiten. Spruchreif ist hier aber noch nichts. Wer auf dem Laufenden bleiben möchte, abonniert am Besten den Newsletter.

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Zum Schluss bleibt mir nur noch, euch eine besinnliche Weihnachtszeit zu wünschen. Genießt die Fußball-freie Zeit! Gar nicht mehr lange, dann geht es schon wieder mit der regulären Saison los. Ich muss noch schauen, ob ich den Sprung von Argentinien gegen Frankreich zu Werder gegen Köln schaffe. Es wird auf jeden Fall ein paar Tage dauern!

Das Titelbild stammt von Tim Reckmann, Lizenz: CC BY 2.0.

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