WM-Tagebuch, Tag 21: Geschichte wurde geschrieben

Gestern schrieb ich, ab jetzt werde bei dieser WM Geschichte geschrieben. Dass die Viertelfinals so spektakulär starten, hätte ich aber kaum für möglich gehalten. Es ging schon am Nachmittag los, als Kroatien die wohl größtmögliche Überraschung des Viertelfinals gelang. Sie haben das Kunststück vollbracht, Top-Favorit Brasilien herauszuwerfen – und das, obwohl sie in der Verlängerung 0:1 hinten lagen nach einem fabulösen Tor von Neymar. Doch Brasilien entblößte nur einmal die Abwehr, und schon schlug Kroatien zu. Im Elfmeterschießen stellten die Kroaten erneut ihre Coolness unter Beweis. Kroatien erreichte somit bei der zweiten WM in Folge das Halbfinale, ohne ein Achtel- oder Viertelfinale nach 90 oder 120 Minuten zu gewinnen. Das muss man auch erst einmal schaffen.

Das Spiel Argentinien gegen die Niederlande wiederum bot alles, was das Fußballherz begehrt. Fabelhafte Einzelaktion von Messi? Jep! Wilde Schlussphase? Jep! Rudelbildungen? Dreifach-Jep! Dass die Argentinier die 2:0-Führung noch aus der Hand gaben, lag auch an einer wahnwitzigen Freistoß-Variante der Niederländer. Frei nach Oliver Kahn: Es gehören mächtig Eier dazu, in der zehnten Minute der Nachspielzeit eines WM-Viertelfinals einen Freistoß aus zwanzig Meter Entfernung flach an der Mauer vorbeizupassen. Genützt hat es den Niederländern am Ende nichts. Im Elfmeterschießen setzte sich Argentinien durch. Messis WM-Traum lebt weiter.

Heute möchte ich zurückschauen auf den Sieg Argentiniens, aber auch vorausblicken auf die Duelle, die heute folgen werden. Vor allem auf das Spiel Englands gegen Frankreich freue ich mich.

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Argentinien: Die Schwierigkeit, Langholz zu verhindern

Eigentlich schien die Partie bereits entschieden. In der 73. Minute hatte Lionel Messi einen Elfmeter versenkt. Argentinien führte 2:0. Bis zu diesem Zeitpunkt stand es 7:1 nach Torschüssen für die Albiceleste. Der einzige Schuss der Niederländer ging meilenweit am argentinischen Kasten vorbei. Lionel Scalonis Umstellung vom 4-3-3 der vergangenen Partien auf ein 5-3-2-System schien Früchte zu tragen. Die Niederländer hatten zwar knapp sechzig Prozent Ballbesitz, spielten diesen aber hauptsächlich über den weit zurückfallenden Frenkie de Jong aus. Pässe in die gefährliche Zone? Fehlanzeige. Das Mittelfeld war fest in Händen der Argentinier.

Louis van Gaal hat schon während der gesamten Weltmeisterschaft unterstrichen, dass er den niederländischen totaal Voetbal nicht für zielführend hält. Seine Niederländer traten auf wie ein Außenseiter. Sie verschanzten sich im 5-3-2, überließen ihren Gegnern den Ball, setzten auf Konter. Gegen Argentinien mögen sie zeitweise versucht haben, in einem 5-2-1-2 mit Cody Gakpo als Zehner früh zu pressen. Doch offensiv blieben ihre fußballerischen Mittel auch in dieser Partie beschränkt. Argentinien blockierte das Zentrum und gewann die Eins-gegen-Eins-Duelle auf den Flügeln. Das genügte, um die einst so stolze Fußballnation Niederlande spielerisch kaltzustellen.

Van Gaal ging also in der Schlussviertelstunde den radikalen Außenseiter-Weg. Das Mittelfeld wurde abgeschafft. Mitspielende Stürmer wurden ausgewechselt. Abwehr-Hühne Virgil van Dijk wurde in den gegnerischen Strafraum beordert. „Hoch und weit!“, lautete fortan das Motto.

Den Ball einfach lang nach vorne zu schlagen, klingt wie die Bankrotterklärung einer jeden Fußball-Mannschaft. Seht her, wir können nicht Fußball spielen, also hoffen wir auf den Zufall! Irgendeiner dieser langen Bälle wird schon zu einer Chance führen. Die Kontrolle wird aufgegeben, um über Chaos in den Strafraum zu gelangen.

Im Falle der Niederlande war der Zufall weniger ein Faktor als bei anderen Langholz-Verfechtern. Denn die Niederlande hatte handfeste Argumente für ihre Strategie. Der größte argentinische Feldspieler zu diesem Zeitpunkt war Germán Pezzella, der 1,87 Meter misst. Der kleinste niederländische Angreifer war Luuk de Jong, der einen Zentimeter größer ist als Pezzella. Hinzu kamen drei Hünen mit Gakpo (1,93 Meter), van Dijk (1,95 Meter) und Wout Weghorst (1,97 Meter). Da ist es dann kein Zufall mehr, wenn die Niederländer lange Bälle erobern.

Langholz ist aber auch für Teams ein Problem, deren Abwehr keine durchschnittliche Größe von 1,78 Meter aufweist wie die argentinische Fünferkette. Langholz rüttelt an den Gewissheiten einer jeden Verteidigung. Kontrolle ist nicht mehr gefragt, man kann den Gegner weder lenken noch vom eigenen Strafraum fernhalten. Man kann höchstens versuchen, die Flanken zu verhindern, bevor sie geschehen. Das ist wiederum keine gute Idee: Wenn man sie nämlich nicht verhindert bekommt, fehlen die pressenden Spieler hinten, um den Ball zu klären.

Im Endeffekt wird das Spiel somit von einer taktisch-gemeinschaftlichen Ebene auf eine individuelle Ebene heruntergebrochen. Es geht nur noch darum, Kopfballduelle zu gewinnen und die zweiten Bälle zu erobern. Natürlich braucht es auch hier gute Positionierung, um den zweiten Ball zu erreichen. Doch durch das Zufallsmoment langer Ball plus das Zufallsmoment Abpraller plus das Zufallsmoment unkontrollierter Ball können so viele unberechenbare Szenen entstehen, die man taktisch einfach nicht immer sauber lösen kann. Es genügt ja, wenn ein langer Ball durchkommt oder ein zweiter Ball zum Freistoß führt, um die ganzen zuvor gespielten Minuten ad absurdum zu führen. Genau das gelang der Niederlande.

Der Kritikpunkt, den man Argentinien machen kann, betrifft damit gar nicht unbedingt die Defensive. Gegen Chaos hilft nur eins: Kontrolle. Kein WM-Teilnehmer wird verhindern können, dass ein Gegner, der sich kurz vor Schluss eines K.O.-Spiels auf der Verliererstraße befindet, jeden Ball lang nach vorne schlägt. Das führende Team kann aber die Zahl dieser langen Bälle begrenzen. Je weniger lange Bälle in den Strafraum fliegen, umso geringer der Zufall.

Das bedeutet konkret, Konter nicht immer auszuspielen, den Ball laufen zu lassen, Freistöße herauszuholen. Das gilt umso mehr, wenn mit Messi der einzige Spieler im Konter weder schnell noch ausdauernd ist. Argentinien wollte trotzdem den Konter stets zu Ende spielen. Die Folge: Argentinien verlor ständig den Ball. Die Niederlande hatte 75% Ballbesitz und konnte knapp zwanzig lange Bälle in Richtung Strafraum schlagen. Dass davon einige ankommen, hätte selbst die beste Abwehr nicht verhindern können.

Im Übrigen muss ich gestehen, dass ich am Ende trotz der niederländischen Aufholjagd gejubelt habe, als Argentinien das Elfmeterschießen gewann. Das liegt zum Einen an Lionel Messi. Ich weiß nicht, ob es für die Bewertung seiner Karriere tatsächlich einen Unterschied macht, ob er 2022 den WM-Titel gewinnt. Zumindest aber wäre ein Aus im Elfmeterschießen das bittermöglichste gewesen.

Zum Anderen aber fand ich, dass die Niederländer in der Verlängerung sich gar nicht mehr bemühten, das Spiel vor dem Elfmeterschießen zu entscheiden. Sie hatten die perfekte Taktik gefunden, Argentinien zu ärgern – nur um dann in der Verlängerung zu jener passiven Spielweise zurückzukehren, die in den 75 Minuten zuvor nicht funktioniert hat. So entstand eine fast schon kunstvolle Verteilung der Torschüsse: Nach 75 Minuten führte Argentinien 7:1. Bis zum Schlusspfiff schoss die Niederlande viermal aufs Tor und Argentinien gar nicht. In der Verlängerung betrug das Schussverhältnis wieder 7:1 für Argentinien. Am Ende war der argentinische Sieg trotz Elfmeterschießen verdient, weil sie sich in 105 der 120 Minuten die besseren Chancen erarbeiteten. Nur gegen das niederländische Langholz war kein Kraut gewachsen.

England: Southgates Wahl

„Und was heißt eigentlich real bleiben?“, fragt der Rapper Curse auf seinem jüngsten Album, um sich die Frage anschließend selbst zu beantworten. „Heißt real bleiben nicht anders werden, aus Wandel lernen?“ Gareth Southgate steht eigentlich vor ziemlich genau derselben Frage: Kann er der bisher so erfolgreichen Spielweise bei dieser Weltmeisterschaft auch gegen Frankreich treu bleiben? Oder heißt sich treu bleiben am Ende, die Veränderung zu wählen?

Die Ausgangslage: Der Vize-Europameister trifft auf den Weltmeister. Es treffen zwei der wohl überzeugendsten Nationen des bisherigen Turnierverlaufs aufeinander. England gelang das Kunststück, bei diesem Turnier erst zwei Gegentore zu kassieren. Beide fielen gegen den Iran, als das Spiel 4:0 respektive 6:1 stand. Die Defensive ist Englands große Stärke. Nach Informationen von The Athletic hat Southgate vor dem Turnier einen 30minütigen Vortrag gehalten, wie England Weltmeister wird. Die Kernaussage: Frankreich und Deutschland hielten bei ihren Triumphen viermal hinten die Null, Spanien gelang das sogar fünfmal. Nur so wird man Weltmeister.

Auf der anderen Seite steht eine französische Mannschaft, die ebenfalls grundsolide verteidigt. Kein Team ist tödlicher, wenn sie mit einer Führung im Rücken den Gegner auskontern können. Zugleich ist das Team jedoch deutlich offensiver ausgerichtet als die Siegermannschaft 2018. Von allen Viertelfinalisten erspielten sich die Franzosen im Turnierverlauf den zweithöchsten Expected-Goals-Wert. Einzig Brasilien spielte sich mehr Chancen heraus. (Wie das für sie ausging, wissen wir.)

Für die offensivere Ausrichtung im Vergleich zu 2018 sorgt Rechtsaußen Ousmane Dembélé. Während Blaise Matuidi vor vier Jahren als Außenstürmer Mbappes offensive Rolle ausbalancieren sollte, ist Dembele selbst eine Gefahr über den rechten Flügel. Der zweite wesentliche Faktor ist die Doppelsechs. Die Verbindung Rabiot-Tchouameni ist weitaus kreativer, aber auch unberechenbarer als das physisch-taktisch starke Doppelsechs-Duo Pogba-Kante. So richtig wurde Frankreichs Stabilität im Zentrum bisher nicht getestet.

Das wirft Fragen auf für Southgate. Wie soll er seine Mannschaft aufstellen? „Never change a winning team“? Dieser Ansatz klingt nach dem 3:0-Sieg über Senegal nicht verkehrt. Englands 4-3-3-System bot im Turnierverlauf defensive Stabilität, wenn sie sich im 4-5-1 zurückzogen. Es half aber auch, offensive Torgefahr herzustellen. Dank des ausweichenden Stürmers Harry Kane hatte England eine starke Raumaufteilung, Jude Bellingham sorgte für den nötigen Zug zum Tor. Warum also auch nicht so gegen Frankreich antreten?

Die Antwort findet sich auf den Flügeln. Mbappe und Dembélé mit einer Viererkette zu verteidigen, wird nicht leicht. Während sich die englische Presse vornehmlich auf Mbappe fokussiert, sehe ich die Gefahr eher auf der anderen Seite schlummern. Mbappe wäre bei Walker in guten Händen – oder besser gesagt: in schnellen Füßen. Die defensiv stabilen Henderson und Stones könnten dazustoßen, um Mbappe zu doppeln oder zu trippeln.

Aber auf der anderen Seite findet sich mit Dembélé ein nur minimal langsamer Spieler. Luke Shaw ist kein so guter Verteidiger wie Walker. Sorgen bereiten vor allem die Spieler, die ihm zur Hilfe eilen: Harry Maguire spielt eine starke Weltmeisterschaft, hat aber nicht das Tempo, mit einem entfesselten Dembélé mitzuhalten. Bellingham mag die nötige Schnelligkeit haben, aber bringt er auch die taktische Disziplin mit, über 90 oder gar 120 Minuten die richtigen Entscheidungen zu treffen?

Aus den genannten Gründen debatiert halb England dieser Tage über Taktik. Genauer gesagt: über die Rückkehr der Fünferkette. 2018 verhalf die Fünferkette England ins WM-Halbfinale. Auch 2018 nutzten die Engländer fünf Verteidiger in den wichtigen Spielen gegen Deutschland oder Italien. Da liegt jedoch auch das Problem: Die Fünferkette war ein Mitgrund, warum England sowohl das Halbfinale 2018 gegen Kroatien als auch das Finale 2021 gegen Italien nicht gewinnen konnte. Es fehlte die offensive Durchschlagskraft. Warum das offensive Potential schmälern, wenn man doch in diesem Turnier im 4-3-3 so starke Leistungen zeigen konnte?

Ganz einfach: Weil Southgate sich damit treu bleibt. Defensive Stabilität ist das Mittel, dem Southgate vertraut. Damit möchte er den ersten englischen Titel seit 1966 holen. Die Fünferkette gegen Frankreich wäre die defensiv stabile Wahl. Ist sie auch die richtige? Und wird Southgate tatsächlich einen Außenstürmer oder Henderson opfern, um einen dritten Innenverteidiger aufzustellen? Die Antwort gibt es heute Abend.


Kurze Beobachtungen

  • Die Sensation ist geschehen! Brasilien ist raus, Kroatien ist weiter. Ich kann leider keine tiefgreifende Analyse zum Spiel beitragen, da ich aufgrund privater Verpflichtungen erst zur Verlängerung einschalten konnte. Ich sah ein fabelhaftes Tor von Neymar, das meine These unterstrich, dass Brasilien auch aus dem Nichts Torgefahr kreieren kann. Allerdings folgte darauf eine unerklärliche Szene, als Brasilien fünf Minuten vor Schluss mit zahlreichen Spielern aufrückte, um sich trotz Führung auskontern zu lassen. Dass Kroatien das Elfmeterschießen gewinnt, war ab diesem Punkt ausgemachte Sache. Schon 2018 haben sie das Halbfinale erreicht, indem sie Achtel- und Viertelfinale nach Elfmeterschießen gewannen. Ich sag mal so: Der Fußball-Liebhaber in mir ist nicht gerade begeistert, dass ihnen das schon wieder gelungen ist.
  • In Neymars Kopf lief sicher folgender Film: Als fünfter Schütze läuft er an zum finalen Elfmeter. Mit seinen Mini-Schrittchen verlädt er den Keeper. Im Anschluss feiern ihn die Mitspieler, die Fans, die gesamte Welt. Der Held des Tages! Tja. Da zwei seiner Kollegen verschossen, durfte Neymar am Ende gar nicht mehr antreten. Man kann es nur wieder und wieder sagen: Wenn ein großer Star den fünften Elfmeter schießen will, ist das purer Egoismus. Wenn du ein Superhengst sein willst, schieß zuerst. Nennt sich Verantwortung. Alles andere ist Ego-Show.
  • Das zweite Spiel am heutigen Abend kennt einen klaren Favoriten. Marokko geht als Außenseiter ins Duell mit Portugal, die im Achtelfinale beim 6:1 über die Schweiz entfesselt aufspielten. Cristiano Ronaldo dürfte erneut auf der Bank sitzen, wodurch Portugals Team ingesamt stabiler und gemeinschaftlicher wirkt. Aber unterschätzt mir die Marokkaner nicht! Ihre tiefe Defensive verdammte schon Kroatien, Belgien und Spanien zu weitgehender Wirkungslosigkeit. Offensiv sind sie harmlos, zumal sie nach den 120 aufreibenden Minuten im Achtelfinale mit schweren Beinen auflaufen dürften. Doch ich bin noch nicht sicher, ob Portugal die nötigen Mechanismen im Ballbesitzspiel findet, um die marokkanische Mauer zu überwinden. Das Publikum wird hinter Marokko stehen, was eine Überraschung noch einen Tick wahrscheinlicher werden lässt. Ein Tor oder ein Sieg im Elfmeterschießen genügen, damit erstmals eine afrikanische Mannschaft ins Halbfinale einer WM einzieht.
  • Gestern Nacht verstarb Grant Wahl. Er war der vielleicht bekannteste Fußball-Journalist der USA. Auch ich habe seine Geschichten gerne gelesen und hatte einige Zeit lang seinen Newsletter abonniert. Wahl saß auf der Pressetribüne des Spiels Niederlande gegen Argentinien, als er plötzlich zusammenbrach. Der 48-Jährige geriet auch hierzulande in die Schlagzeilen, nachdem er zu einem Spiel der WM ein Regenbogen-Shirt tragen wollte. Die katarischen Sicherheitsbeamten ließen ihn daraufhin nicht in das Stadion. Entsprechend machen nun in den Sozialen Medien Verschwörungstheorien die Runde, nach denen hinter Wahls Tod sinistre Kräfte stecken. Befeuert wurden die Gerüchte durch ein Video seines Bruders. „Ich glaube nicht, dass mein Bruder einfach starb. Ich glaube, er wurde ermordet“, sagt er in dem Instagram-Clip, der mittlerweile gelöscht wurde. Gegen diese Sichtweise spricht, dass Wahl – anders als von seinem Bruder angegeben – nicht „kerngesund“ war. In seinem Newsletter berichtete Wahl, ihn plage seit Beginn der WM eine Erkältung. Vor einigen Tagen sagte er in einem Podcast, er werde wegen einer Bronchitis mit Antibiotika behandelt. Man muss an dieser Stelle an die traurige Wahrheit erinnern, dass eine nicht ausgeheilte Lungenerkrankung die Gefahr eines plötzlichen Herztodes um das zwanzigfache steigert. Sein Tod ist ein herber Verlust für den Sportjournalismus. Wahls Geschichten waren stets großartig zu lesen. Als Reporter war er nicht nur ein exzellenter Kenner der Fußballszene, sondern kümmerte sich auch um die politischen Aspekte des Sports. Vor der WM berichtete er extensiv über das Leben der Wanderarbeiter in Katar. Er möge in Frieden ruhen.

Leseempfehlungen

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Das Titelbild stammt von Kyrill Venedikt, Lizenz: CC BY-SA 3.0.

7 thoughts on “WM-Tagebuch, Tag 21: Geschichte wurde geschrieben

  1. Brasilien ist seit dem letzten Titel 2002 immer im Viertelfinale und einmal im Halbfinale ausgeschieden.
    Ist das Ausscheiden wirklich noch eine Überraschung?

    1. Ja, denn vergangene Turniere dienen nur bedingt als Anhaltspunkt für die aktuellen Turniere. Die Kader verändern sich zu stark von Turnier zu Turnier. Anhaltspunkt sollten also die Spiele vor und während des aktuellen Turniers sein, und anhand derer war Brasilien der klare Favorit gegen Kroatien.

      1. Das stimmt. Wobei man argumentieren könnte, dass Überheblichkeit und mangelnde (defensive) Disziplin Eigenschaften sind, die über verschiedene Kader und Trainer hinaus Bestand haben.

  2. Bemerkenswert, dass mit Kroatien und Argentinien zwei Teams im Halbfinale stehen, die mit etwas Pech (oder etwas weniger Glück) gut und gerne auch nach der Vorrunde hätten abreisen können. Argentinien stand bis Messis Distanztreffer gegen Mexiko mit dem Rücken zur Wand und wenn Lukaku nur einigermaßen treffsicher gewesen wäre, hätten sich die Kroaten und die Deutschen einen Flieger teilen können.
    Obwohl diese Halbfinalisten viel weiter gekommen sind als Deutschland, fällt es schwer anhand von WM-Ergebnissen von besseren und schlechteren Teams zu sprechen. Dafür müsste wohl jeder mal gegen jeden spielen. Glück, Pech, Zufälle und Form spielen eine große Rolle. Deswegen ist aber so ein Turnier wohl auch interessant. Man darf daraus jedoch nicht falsche Schlüsse ziehen.

  3. Du musst das Spiel Kroatien – Brasilien unbedingt nachholen! Kroatien mit einer taktischen Meisterleistung. Dass das Mittelfeld von Kroatien Weltklasse und zu den besten der Welt gehört, war ja schon vorher bekannt, aber spätestens jetzt hat es auch jeder gesehen. Mit welcher Ruhe und Technik sie den Ball rausgespielt haben, laufen ließen und pressing resistent waren. Wie gut es auch im Verbund mit der Abwehr stand.
    Dabei hatte man immer um die 50% Ballbesitz und hat nicht nur defensiv die ganze Zeit verteidigt, wie es jetzt gerne von einigen dargestellt wird.

    Brasilien wird mit diesem Kader und Spielern immer Chancen haben. Das kann man nicht verhindern. Aber wie das eingegrenzt wurde, war schon Weltklasse. Man war sich wie Real Madrid seiner Stärken bewusst und hat auf seine Chance gegen Brasilien gelauert. Mit welcher Abgeklärtheit und Intensität das Team das tat, das war schon sehr beeindruckend!

    Natürlich hatte man auch Glück, dass Alex Sandro und Alex Telles fehlten, denn so spielte Danilo auf links und Eder Militao auf rechts. Das kam den kroatischen Spiel schon entgegen.

    Fernab davon hat bspw. ein Juranović das Spiel seines Lebens gemacht. Vor einigen Jahren noch in der 3. kroatischen Liga, hat er beeindruckt mit seinen Tiefenläufen. Nebenbei hat er auch noch erst Vini, dann Rodrygo aus dem Spiel genommen und gar nicht erst zur Entfaltung kommen lassen.

    Ich könnte jetzt ewig weiterschreiben. Letztendlich sollte jeder dieses Spiel gucken und sich seine eigene Meinung bilden. Ich finde es aber dennoch schade, dass es hier in Deutschland jetzt leider als “Antifußball” von einigen angetan wird. So als hätte Kroatien wie Darmstadt gespielt. Entzieht sich bei mir jeglichem Verständnis.

    Aber ich schätze das hat mit Biasen zu tun. Man ist in den Augen vieler eben nur “diese osteuropäische Mannschaft”. Selbst 11 Freunde schlagen in die gleiche Kerbe. Dabei liegt man am Mittelmeer und ist mediterran und eher Südeuropa, aber gut lasen wir das.

    Auf jeden Fall werde ich das Gefühl nicht los, als hätten einige das Spiel nicht differenziert betrachtet und sind traurig, dass diese “talentierten Dribblingkünstler” jetzt plötzlich ausgeschieden sind. Und das kann ja nur daran liegen, dass die Gegenseite destruktiven Antifußball gespielt haben! Dabei werden die ganzen Sachen gar nicht gewürdigt, die aufgezählt habe. Hätte Italien, Frankreich, Spanien oder eine andere “große” Fußball Nation das so gemacht, am besten mit einem Guardiola oder Tuchel an der Seitenlinie, dann wär das plötzlich ein Meisterwerk und Geniestreich gewesen.

    Naja, kann man nichts machen. Einige westliche Fußballens und insb jenige aus den Top 5 Ligen Ländern, sollten mal ihre Wahrnehmung in Bezug auf Fußball anpassen und sich nicht immer nur auf Namen und Fifa Ratings berufen. Offensichtlich werden zu viele Sachen nur oberflächlich betrachtet. Wie du schon gesagt hast, hat Kroatien Geschichte geschrieben und in Deutschland scheint das niemanden zu interessieren. Sind ja nur diese komischen und nicht blondierten Kroaten. Keine sympathischen Costa Ricaner, Isländer oder Japaner.

    Schade

    1. Ich muss gestehen, ich bin jetzt auch nicht der größte Fan der Kroaten. Die Mannschaft erinnert mich immer an Real Madrid: individuell überragend, taktisch mitteläßig, dafür aber mit so viel Talent und Mentalität gesegnet, dass sie selbst Spiele gewinnen, die andere verlieren.

      In meinem Satz „Gegen Kroatien kann man leicht nicht verlieren, aber nur schwer gewinnen“ schwingt aber auch jede Menge Anerkennung mit. Darum geht es ja schließlich bei Länderturnieren: Gewinnen und nicht ausscheiden! Und dem kroatischen Mittelfeld kann man ja praktisch nicht den Ball abnehmen. Deshalb ist die Behauptung, sie seien ein rein defensives Team, sicher unfair. Du verweist ja zurecht auf ihre Ballbesitzwerte. Trotzdem habe ich immer das Gefühl, um ein wirklich gutes Team zu sein, fehlt vorne die Durchschlagskraft. Das steckt ja auch in den vielen Spielen, die sie nach Verlängerung oder Elfmeterschießen gewinnen: in 90 respektive 120 Minuten können sie einen Gegner nicht bezwingen.

    2. Lieber Sharbini, nimm nicht alles so persönlich und sieh keine Angriffe auf (dein?) Kroatien, wo keine sind. Niemand möchte Kroatien das Halbfinale madig machen. Ich habe lediglich aufgreifen wollen, wie knapp es im Sport zwischen großem Erfolg und Misserfolg steht und man immer auch ein bisschen das Glück auf seiner Seite wissen muss.
      Ich bin seit 2008 immer froh, wenn Deutschland nicht gegen Kroatien spielen muss, weil ich sie für unangenehm und schwer bespielbar halte. Das ist auch eine Form der Anerkennung.

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