WM-Tagebuch, Tag 13: Hinter Tor 3 wartet der Zonk

Ich lag falsch. Gestern noch bezeichnete ich es als unwahrscheinlichstes Szenario, dass Japan die Partie gegen Spanien gewinnt. Pustekuchen. Das deutsche Team konnte sich strecken, schütteln, machen, was es wollte: Am Ende scheiterten sie am japanischen 2:1-Sieg über Spanien. Denn sind wir ehrlich: Ein Acht-Tore-Sieg über Costa Rica war nie realistisch. Er mag gestern angesichts eines schier unglaublichen deutschen Expected-Goals-Wert von nahezu sechs möglich gewesen sein. Aber man konnte ihn nie einplanen geschweige denn als Fan einfordern. Die Spanier taten uns nicht den Gefallen, den Gruppensieg mit jeder Faser ihres Seins zu wollen. Und wer kann es ihnen verdenken? Im Achtelfinale wartet nun Marokko statt Kroatien, im Viertelfinale träfen sie auf Portugal und nicht auf Brasilien.

Man könnte das Spiel gegen Costa Rica in seinen Einzelteilen zerpflücken. Warum Deutschland gut ins Spiel fand, sich dann aber am 5-4-1 der Costa-Ricaner festbiss. Warum nach der Pause das Chaos regierte. Ich denke aber, damit würde ich der Sache nicht gerecht werden. Ockhams Rasiermesser besagt, dass die einfachste Lösung meist die korrekte ist. Die einfache Lösung: Deutschland spielte dominant, bis sie vom japanischen 2:1 hörten. Danach entwickelte sich ein vogelwildes Spiel, das Deutschland dank Kai Havertz und Niclas Füllkrug 4:2 gewann. Mehr war nicht drin.

Ausgeschieden ist Deutschland nicht gegen Costa Rica. Deutschland schied aus, als sie in der zweiten Halbzeit gegen Spanien ihre Chancen nicht nutzten. Vor allem aber schieden sie aus, als sie Japans Systemumstellung nichts entgegenzusetzen hatten. Die falschen Wechsel von Flick, sie kosteten Deutschland letzten Endes die K.O.-Runde. Aus diesem Grund will ich über das Spiel gegen Costa Rica nicht mehr viele Worte verlieren. Stattdessen möchte ich auf die allgemeinen Gründe für das deutsche Ausscheiden blicken sowie vorausschauen auf die Debatten, die in den kommenden Tagen folgen werden.

Zuerst einmal will ich aber kurz Werbung machen. Ich biete dieses Tagebuch kostenfrei an, und ich tue das gerne. Wenn ihr hier gerne mitlest und mir unbedingt einen Gefallen tun wollt, bestellt bitte mein neues Buch „Was Teams erfolgreich macht“. Es steckt viel Liebe und Fleiß drin. Es hat sogar ein Kapitel zu den Schwächen der deutschen Nachwuchsförderung. Das ist gerade jetzt ein nicht ganz so unspannendes Thema – behauptet zumindest der Bundestrainer, und der muss es schließlich wissen. Das Buch eignet sich auch gut als Weihnachtsgeschenk an Mitarbeiter des DFB! Damit endet auch der Werbeblock.

Die deutschen Schwächen

Ich muss wiederholen, was ich vor ein paar Tagen schrieb: 2022 ist nicht 2018. Das deutsche Aus ist keine Schmach. Deutschland spielte keinen unterirdischen Fußball. Die deutsche Mannschaft hat sich mehr Chancen erarbeitet als jedes andere Team dieser WM. Sie hat keine leichte Gruppe erwischt und dann dummerweise gegen Japan nicht das beste Spiel gemacht. Das sollte nicht passieren. Aber es darf viel eher passieren, als dass man gegen Mexiko, Schweden und Südkorea ideenlos herumstolpert.

Dennoch wäre es vermessen, das deutsche Ausscheiden einzig dem Pech zuzuschreiben. Ja, sie hatten mehr Chancen als jedes andere Team. Sie haben aber auch mehr Chancen versemmelt als jeder andere Teilnehmer. Deutschland schoss vier Tore weniger, als ihnen nach ihrem Expected-Goal-Wert zugestanden hätte.

Doch wenn immer Glück Können bedeutet, was bedeutet dann immer Pech? Im Zweifel, dass die falschen Spieler in Abschlusssituationen kommen. Die deutschen Spieler mit den meisten Schüssen waren Serge Gnabry und Jamal Musiala (beide 12). Sie fahren mit einem bzw. null Treffern nach Hause. Bereits im Tagebuch-Eintrag nach dem Japan-Spiel habe ich erklärt, warum es nicht vernünftig ist, diese beiden Spieler ständig in enge Abschlusssituationen zu bringen.

Besonders dann nicht, wenn man bessere Spieler für diese Situationen im Kader hat. Niclas Füllkrug etwa hat das Kunststück geschafft, die drittmeisten Schüsse aller deutschen Spieler abzugeben (neun), obwohl er nur 66 Minuten auf dem Feld stand. Kai Havertz war gegen Costa Rica die größte Belebung für das deutsche Spiel. Thomas Müller hingegen kam im gesamten Turnierverlauf auf nur drei Schüsse. Leroy Sané kam im gegnerischen Strafraum kein einziges Mal zum Abschluss. Dazwischen sind mit Joshua Kimmich (sieben Schüsse), Ilkay Gündogan und Antonio Rüdiger (beide sechs) drei Spieler in der Schuss-Statistik, von denen man Tore einfach nicht erwarten kann.

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Die schwache Chancenverwertung war ein Problem. Die Defensivarbeit das zweite. Deutschland gehörte zu den wenigen Top-Nationen, die nicht mit einer eingespielten Viererkette anreisten. Spaniens Coach Luiz Enrique etwa hatte vor langer Zeit beschlossen, Citys Mittelfeld-Motor Rodri in der Abwehr aufzustellen. An Jordi Alba hält er fest, obwohl der beim FC Barcelona nicht gesetzt ist. Gareth Southgates Nibelungentreue zu Harry Maguire ist bereits ein Meme. Maguire hat das Vertrauen aber noch immer zurückgezahlt. Flick hingegen bot in allen drei Partien unterschiedliche Defensivvarianten auf. Einzig im Spiel gegen Spanien funktionierten die Absprachen der Viererkette weitgehend reibungsfrei. Selbst da war das Gegentor streng genommen ein Absprachefehler zwischen Niklas Süle und Rüdiger.

Flicks Spielsystem kann man hier nicht aus der Schuld nehmen. So sehr ich persönlich Flicks offensive Denkweise schätze: In einem Turnier, bei dem eine Niederlage bereits das Aus bedeuten kann, ist es vielleicht der falsche Weg, mehr Tore schießen zu wollen als der Gegner. Im Achtelfinale stehen jede Menge Teams, die einzig ein Tor weniger kassieren wollen als der Gegner. Ja, das ist langweilig. Ja, das passt vielleicht nicht zu den Spielertypen des FC Bayern. Aber es ist nun einmal der Weg, den der Nationalmannschafsfußball derzeit geht. Es ist auch der vernünftige Weg angesichts einer Vorbereitungszeit von gerade einmal einer Woche.

Ich will gar nicht behaupten, dass Deutschland fortan zum Mauern-und-Hoffen-Fußball der Achtziger und Neunziger Jahre zurückkehren sollte. Etwas mehr Balance täte dem deutschen Spiel aber gut. Dass eine stabile Defensive und offensive Durchschlagskraft sich nicht ausschließen müssen, beweisen bei dieser WM Nationen wie Brasilien, Argentinien und England. Deren Spiele produzieren zwar nur 1,0:0,3 Expected Goals und nicht 3,1:1,5. Die Varianz ist auf beiden Seiten geringer, wodurch sich die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass am Ende das bessere Team gewinnt.

Man muss nach diesem Turnier trotzdem nicht den Stab über der deutschen Mannschaft brechen. Mit Antonio Rüdiger, Joshua Kimmich und Jamal Musiala verfügt die deutsche Mannschaft über eine zentrale Achse, die sich bei der Heim-Europameisterschaft 2024 beweisen kann. Mit etwas mehr Balance und einer eingespielten Viererkette könnte man dort eine bessere Rolle spielen. 2022 ist eben nicht 2018.

Irgendwann wird es Zeit für etwas Neues

Dennoch möchte ich an dieser Stelle eine Personaldebatte aufmachen. Ich mag eigentlich keine Personaldebatten. Sie personifizieren das Scheitern und reduzieren es letzten Endes auf einen Teilfaktor. Die handelnden Personen können aber nur Erfolg haben, wenn sie in effektive Strukturen eingebunden sind. Wenn Fußballvereine sich mehr um Strukturen und weniger um Personen kümmern, stellt sich nachhaltiger Erfolg ein. Das beobachte ich immer und immer wieder. (An dieser Stelle eine zweite kleine Werbung für mein Buch.) Insofern ist es auch beim DFB wurscht, wie denn nun genau der Cheftrainer oder der zweite Co-Trainer heißt, solange die Struktur dieselbe bleibt.

Genau diese Struktur gilt es zu hinterfragen. Zahlreiche sportliche Funktionäre des Deutschen Fußball Bunds feiern bald ihr zwanzigstes Dienstjubiläum. Manager Oliver Bierhoff? Seit 2004 dabei. Der sportliche Leiter Nationalmannschaften Joti Chatzialexiou? Seit 2003 im Verband. Das Scouting-Team? Größtenteils auch seit der WM 2006 am Start. Das lässt sich weiterführen über die Co-Trainerpositionen bis hin zum Sportpsychologen. Die sportliche Führung des DFB rekrutiert sich aus einer Clique, die zwei verpatzte Turniere in Folge überstanden hat. Mir fallen wenig Gründe ein, warum sie auch das dritte überstehen sollte.

Impulse gibt es beim DFB seit Jahren keine mehr. In der Jugendarbeit haben Frankreich und England uns abgehängt. Bei der Wahl der Trainingslager lag die sportliche Leitung zuletzt öfter falsch denn richtig. Die Gegneranalysen wirken nicht überragend, ansonsten hätte das Trainerteam eine bessere Reaktion gehabt auf das japanische Aufbäumen in der zweiten Halbzeit. Mir fehlen da ehrlich gesagt die Argumente gegen einen Neustart auf allen Ebenen.

Soll dieser Neustart mit oder ohne Hansi Flick erfolgen? Das wage ich nicht zu beurteilen. Wie gesagt: Deutschland fährt nicht mit Schimpf und Schande nach Hause. Einen Seitenhieb kann ich mir an dieser Stelle aber nicht verkneifen: Wenn Flick nach dem Spiel mosert, Deutschland müsse in der Ausbildung besser werden, versprüht das denselben Vibe wie SPD-Abgeordnete, die sich über 16 Jahre Merkel aufregen. Flick selbst arbeitete über elf der vergangenen 16 Jahre für den DFB, erst als Assistenztrainer, dann als Sportdirektor. Er schmiss das Amt des Sportdirektors aus eigenen Stücken hin. Nun die Jugendarbeit zu kritisieren, die er selbst mitaufgebaut hat, hinterlässt zumindest ein Geschmäckle.

So wird auch Flick sich in den kommenden Wochen unangenehme Fragen gefallen lassen müssen. Diese Fragen sollten dieses Mal noch lauter und noch direkter gestellt werden als 2018. Der deutsche Fußball hat sich nicht nur sportlich zurückentwickelt. Die Freude an und das Mitgefühl mit der Mannschaft hat einen Tiefpunkt erreicht. Die deutschen Fans verdienen kein „Weiter so“, sondern einen Neuanfang. Eine Revolution hat schließlich auch Bierhoff, Flick und Löw an die Spitze des Verbands geführt, damals, zwei Jahre vor einem Turnier im Heimatland. Ihre Verdienste sind unbestritten. Der WM-Titel ist aber nun so lange her wie Brasilien 2014 von der WM 2006 entfernt war. Ich formuliere es vorsichtig: Neue Impulse würden dem Verband auf keinen Fall schaden.


Kurze Beobachtungen

  • Zurück zum Thema Expected-Goals-Verschwendung. Romelu Lukakus Chancen hätten gegen Kroatien zu 1,9 Toren führen müssen. Der Belgier, der erst nach der Halbzeitpause das Feld betrat, erzielte damit allein in diesem Spiel einen höheren Expected-Goals-Wert als die marokkanische Mannschaft im gesamten Turnierverlauf. Entsprechend ließe sich Belgiens Ausscheiden in der Gruppenphase als himmelsschreiende Ungerechtigkeit erzählen. Das wäre aber zu viel des Guten. Selbst in diesem K.O.-Spiel, in dem es für Belgien um alles ging, bauten sie das Spiel in der ersten Halbzeit gemächlich aus der eigenen Hälfte auf. Die Doppelsechs plus Kevin de Bruyne holten sich den Ball vor Kroatiens Pressinglinie ab. So standen vorne zwei, maximal drei Spieler zwischen den Linien frei. Tiefe? Hatte Belgien nicht zu bieten. Das änderte sich erst mit Lukaku. Nach seiner Einwechslung versprühten die Roten Teufel endlich Torgefahr. Das war aber etwas spät nach fünf Halbzeiten, in denen Belgien den Gegner, den Zuschauer und auch sich selbst eingeschläfert hatte.
  • Kleine private Anekdote zum Schluss. Mein sechsjähriger Sohn schaut mit mir zusammen die WM-Spiele. Ich weiß nicht, wie sehr er sich tatsächlich für Fußball interessiert – aber er darf die erste Halbzeit der 20-Uhr-Spiele wachbleiben, das nimmt er dankend mit. Während der Halbzeitpause zwischen Deutschland und Costa Rica habe ich ihn mit den Worten ins Bett geschickt: „Deutschland kommt schon weiter, keine Sorge.“ Das Erste, in das ich am heutigen Morgen blicken darf, werden also traurige Kinderaugen sein, wenn er das Ergebnis erfährt. Danke, Merkel!

Leseempfehlungen

The Athletic: How Belgium got it so badly wrong at this World Cup

Deutsche Welle: Brisantes Déjà-vu: Serbien trifft auf die Schweiz

The Athletic: Does England love Harry Kane as much as it should?


Das Titelbild zeigt Joachim Löw und Hansi Flick in besseren Zeiten und stammt von Thomas Holbach, Lizenz: CC BY-SA 3.0.

31 thoughts on “WM-Tagebuch, Tag 13: Hinter Tor 3 wartet der Zonk

  1. re: Belgien – könnte es sein, dass Martinez schon früher hätte ersetzt werden müssen? (Ich weiß, Struktur, nicht Personen) aber diese belgische Generation ist unter ihren Möglichkeiten geblieben. Auch der Weg zum 3. Platz 2018 ist mir nicht als Offenbarung in Erinnerung geblieben. Vielleicht trügt das Gedächtnis. Es gab damals Anerkennung bei der Spielverlagerung für die Kompaktheit. Aber befriedigt hat mich das Spiel seinerzeit nicht so recht. (Aktuell leider nichts gesehen).

    1. State of the Art scheint es für die Topteams zu sein, vor allem defensiv richtig gut zu stehen – vorne trifft man schon irgendwie. Frankreich hat das vorgemacht, andere machen das nach. Argentinien, Brasilien, England, Spanien und viele andere spielen vor allem erst mal darauf, kein Tor zu bekommen.

      Das dürfte auch irgendwo der Plan von Deutschland gewesen sein, aber im Gegensatz zu den anderen Teams hat man defensiv nie irgendeine Sicherheit ausgestrahlt. Die Ursachen dafür sind recht sicher zahlreich, aber IMO fehlt da einfach die taktische defensive Ausbildung im ganzen Team. Man kennt Pressing, Gegenpressing, Paßspiel. Aber taktische Fouls? Einen Gegner ablaufen, zustellen, Deckungsschatten? Speziell im Mittelfeld lässt man die Angriffe fast immer laufen und erwartet dann von den IVs, dass die das regeln. Das hat schon 2018 mit einer Weltklasse-IV mit Hummels und Boateng nicht funktioniert, aus den gleichen Gründen. Das Problem ist seitdem nicht besser geworden und liegt nicht an den Innenverteidigern.

      1. Danke sehr Koom für die Ausführungen. (obwohl diese eine wohl nicht als Antwort auf meinen post gedacht war, der ja Belgien betrifft)

        – Tobias schreibt ja auch von nur 1 Woche Vorbereitung, ein Zeitmangel, der eine Beschränkung auf die Arbeit am Defensivverhalten (wow Doppel-„v“) uU begünstigt.

        Nicht zuletzt auch, wenn die durchschnittlichen Spielerfähigkeiten internat. zunehmen.

        Ich könnte mir vorstellen, dass so Produkte wie die diversen FIFA Soccer Games (ich kenn mich da nicht aus) die Kinder auf der ganzen Welt extrem animieren und antreiben, in einer Weise wie das im prä-Medienzeitalter nicht denkbar gewesen wäre.
        Man könnt auch von „Gehirnwäsche“ sprechen…

        Ich weiß jedenfalls noch was der Nike-Spot mit Edgar Davids (´98?) für Auswirkungen hatte auf Fussballtricks im Milieu von Freizeitkickern.

        1. Doch, Belgien war dabei schon gemeint. Auch die wollten vornehmlich das ganze über Zu-Null regeln, was aber nur mässig klappte. Diesen Ansatz haben sie auch schon länger.

  2. Es bleibt aus sportlicher Sicht eine große Ratlosigkeit zurück, wieso es nicht gelingt, aus doch hochveranlagten Spielern ein Team zu formen und mit diesem eine Spielidee zu entwickeln.
    Es hat zuweilen wehgetan, zu sehen, wie sehr sie sich gegenseitig auf den Füßen standen und orientierungslos umherirrten, manchmal gar gegeneinander zu spielen schienen. Das „geklaute Tor“ von Füllkrug steht hier stellvertretend für die Zufälligkeit des deutschen Spiels.

    Letztendlich ist Flick an der Kaderzusammenstellung gescheitert, mit der er sich teaminterne Konflikte eingehandelt hat, die er dann durch Aufstellungen und Wechsel versucht hat zu befrieden.
    Nimm zwei halbe Mannschaften mit und du bekommst kein Ganzes.
    Dieser Konflikt besteht seit dem Confed-Titel 2017 und wird nun seit 3 Turnieren ausgefochten, zum Schaden aller.
    Vor 12 Jahren war es ein Foul von Prince Boateng an Michael Ballack und der Ehrgeiz von Philip Lahm, der den entscheiden Umbruch eingeleitet hat, nicht der Mut und die Weitsicht des Trainerteams.
    Man erkennt sich wiederholender Muster der Konfliktscheu beim DFB. Das war schon bei Löw so im persönlichen Umgang mit Spielern, aber auch mit sportlichen Entscheidungen, und Flick setzt dieses fort.
    Aber auch der sportpolitische Eiertanz zeugt davon.
    Man wollte sich nicht der politischen Vereinnahmung entziehen, aus Angst vor Shitstorms des Mainstream daheim, um dann vor der FIFA ebenso folgerichtig einzubrechen. Lose-Lose statt Win-Win. Gefälligkeitssucht und Opportunismus. Ist das nicht das Diplom von Bierhoff?

    Nun wäre es an der Zeit für etwas Neues und die naheliegende Lösung kann in dem Fall nur Thomas Tuchel heißen. Nur da der in Deutschland ähnlich geachtet ist wie Alice Weidel, wird es leider nicht dazu kommen. Und so werden sie weitermachen, werden ihre funkelnde Academy preisen, in 2 Jahren wird sie der Heimvorteil bis ins Halbfinale spülen und das nächste böse Erwachen erfolgt dann in New Jersey oder Guadalajara.

    1. > Nimm zwei halbe Mannschaften mit und du bekommst kein Ganzes.

      Welche Spieler hat er denn de facto wirklich „vergessen“? Das er nicht plötzlich anfangen wird, „echte“ Sechser, die individuell nicht so glamourös sind (wie Kohr, Andrich) einzuladen, nur weil die eine Rolle erfüllen, die zwingend gebraucht wird, war klar. Selbst bei den Bayern hat er immer mehr auf echte Defensivspieler verzichtet. Wenn man den generellen Status Quo der deutschen Fußballer betrachtet, könnte man fast meinen, dass das von ihm generell so gewollt ist.

      Persönlich würde ich auch gerne Tuchel zumindest als Trainer einer der drei Teams N11, Bayern oder Dortmund sehen, weil seine pragmatische Herangehensweise, die auch und vor allem die Defensive betrifft, eine kleine Wohltat wäre. Flicks Einfluss erscheint mir zwar interessant, aber unterm Strich zu riskant, wenn man vor allem keinen Mega-Goalgetter hat.

      1. Aus der Ferne betrachtet sind die Weltmeister von 2014 und das Confed-Team von 2017 zwei verschiedene Teams und der Versuch, beide zusammen zu führen ist schon 2018 und jetzt wieder gescheitert.

        Die Frage ist erstmal nicht, wen Flick anderes hätte mitnehmen sollen, sondern wen er nicht hätte mitnehmen sollen und da kommen mir die Namen Müller und Gündogan zuerst in den Sinn.

        Aber das ist tatsächlich mehr ein Gefühl, dass die Jungen anders ticken als die alten und der Führungsanspruch der Alten Unfrieden stiftet.

        Man hätte diese WM halt ähnlich wie 2010 als Aufschlag einer neuen Generation nehmen können, aber wie in meinem Post schon gesagt, war es damals nicht das Trainerteam, sondern der Zufall, der die Wende eingeleitet hatte.

        1. 2014 kam allerdings auch der einmalige Moment zusammen, dass die Bundesliga die Trainer Klopp, Tuchel und Guardiola hatte und damit auf einem taktischen Höhepunkt war. Und das ganze gepaart mit einer goldenen Generation, die schon vorher eine taktische Reise mitgemacht hat auf den neuralgischen Position. Mit Schweinsteiger, Lahm, Klose, Khedira, Boateng und Hummels verfügte man über mehrere Weltklassespieler und auch der sonstige Kader bot Spieler auf einem Höhepunkt. Und die meisten davon waren taktisch exzellent ausgebildet auf einem ganzheitlichen Niveau.

          Die Bundesliga seitdem scheint sehr von Flicks Triple geprägt worden zu sein, das allerdings unter besonderen Corona-Umständen zusammen kam und wo er mit einer ausgeruhten, fitten Toptruppe dann alles in Grund und Boden rennen konnte. Aber Flicks Ideal scheint immer diese Totale Offensive zu sein, das kein vernünftiges Defensivspiel beinhaltet. Und das schon bei den Bayern dann sehr anfällig wurde.

  3. Ist es wirklich so blöd Musiala und Gnabry in Abschlusspositionen zu bringen? Gerade Musiala hat bei Bayern geradezu Messi-esque-gute Entscheidungen bei der Platzierung des Abschlusses getroffen. Schön wäre es gewesen, ihn von Anfang an auf der 10 zu haben, womöglich wäre bei ihm dann auch schon früher der Bann gebrochen. Grundsätzlich ist es aber natürlich schwierig, das Wohl der deutschen Nationalmannschaft komplett auf den Schultern eines 19-Jährigen zu laden. Da zeigt sogar Musiala irdische Züge.

    1. „Blöd“ ist es nicht, die in Abschlussposition zu bringen. Das machen sie ja auch selbst ganz gut. Aber deren Abschlüsse sind dann doch was anderes. Gnabry kommt noch in relativ typische Abschlusspositionen, aber Musiala…

      So cool die Dribblings sind, aber speziell bei der WM hat man gesehen, dass er zu sehr alleine das machen wollte. Keines der Dribblings endete mit einem Paß, sondern er ging immer selbst aufs Tor. Es ist saustark, dass er an 3-4 Spielern vorbeikommt und sogar eine Schusschance bekommt – aber die ist dann so zugestellt, dass es für einen Keeper recht leicht ist, die abzublocken. Wenn Musiala lernt, dass man auch mal 2 Spieler ausdribbeln und DANN einfach einen simplen Paß zu einem anderen spielen kann, der dann den Raum ausnutzt und die ganze Fläche hat, dann wird er Weltklasse. Das in Katar nun war letztlich spektakuläre, aber brotlose Kunst. Und damit auch irgendwie Teil des Problems.

      Aber das ist ok: Musiala ist jung. Und diese Qualität wird (hoffentlich) noch kommen.

      1. Deswegen war Füllkrugs Tor gegen Spanien so bezeichnend. Musiala hatte doch eigentlich vor, den Abschluss selbst zu setzen und sich im ersten Moment sichtbar geärgert über die diebische Elster, die seinen feinen Ball mit Wucht veredelt hat.
        Auch Sane ist gestern in seine alten Egoismen zurück gefallen, ist Robbenmäßig nach innen gezogen und hat den Abschluss vor der Box gesucht, dabei ist gerade seine brutale Stärke der Schnittstellenpass und das Doppelpassspiel.

        Ich hätte gerne mal Musiala und Moukoko über eine längere Strecke gesehen, inwiefern Kombinationsstärke und Torschusswucht der beiden harmonisieren. Aber ja, Musiala muss abspielen lernen.

        Doch kommt mir nicht mit dem Alter, der dicke Ronaldo wurde mit 19 zum ersten Mal Weltfußballer.

        1. Alter schützt vor Leistung nicht. 😉 In dem Fall kann man sowas durchgehen lassen, denn fehlende Spielübersicht bzw. etwas zu viel Egoismus ist durchaus mal ne Alterssache. Und evtl. war das auch der Situation geschuldet, wo du das Gefühl vielleicht hast, es allein regeln zu müssen, weil der Rest es nicht kann/will.

  4. Tobi, gehe niemals Versprechen ein die man nicht halten kann 🙂

    Ich denke die Diskussion um den xG wert wird weiter zunehmen. Bei einem Turnier eher nicht so aussagekräftig wie über eine ganze Saison. Dennoch mMn noch immer der beste Wert um Chancen und mögliche Spielanteile von Mannschaften zu berücksichtigen.

    Was jetzt noch fehlt zur gesamten statistischen Lage ist, wenn ein eigener xG für den jeweiligen Spieler in der jeweiligen Abschlussposition kommt (also Gegenüber den anderen Spielen des Spielers und nicht der Durchschnitt über alle Spieler). So könnte man noch eher sehen ob es Unvermögen oder Glück ist und das Ganze besser einordnen.

    1. Der xG-Wert ist im Grunde ok. Er ist sowas wie die Schlag/Trefferzahl beim Boxen. Aber er bemisst am Ende des Tages etwas zu wenig, ob der Schlag tatsächlich Knockout-Qualität hatte (Wucht, Position, Momentum). Er berücksichtigt sehr viel, aber aus meiner Sicht ist eine 20%-Chance für einen Lewandowski eine andere 20%-Chance als für einen Gnabry. Aber das ist ok, denn solche Dinge zu bemessen wird dann immer schwieriger. Und man kann mit einer Statistik nicht alles abbilden, dafür ist der Fußball auch zu komplex. Viel zu viele Variablen spielen da eine Rolle. Also keine Kritik am xG von mir, aber man sollte immer bedenken, dass er auch nur „eine“ Wahrheit ist und einen generellen Eindruck vermitteln kann, der aber trügerisch sein kann.

    2. xG wird gefühlt unter- und überschätzt zugleich. Vor allem aber werden mir die Werte zu oft ohne Kontext präsentiert und interpretiert. Der Game State ist aus meiner Sicht ein sehr wesentlicher Faktor bei der Interpretation. Es ist ja sehr oft zu beobachten, dass Mannschaften in Rückstand weit mehr xG sammeln als Mannschaften in Führung. Ist es daher so bemerkenswert, dass Deutschland einen so hohen Wert in der Gruppe akkumulieren konnte, wenn man quasi fünf Halbzeiten lang Tore schießen „musste“?

      Es gibt übrigens schon xG für einzelnen Spieler. Siehe https://theanalyst.com/eu/2022/02/expected-goals-is-your-strikers-scoring-streak-legit/

  5. Du verzichtest zwar (nachvollziehbarerweise) auf eine genauere Analyse gegen Costa Rica, aber im Grunde hat dieses Spiel auch eigentlich alles aufgezeigt, was so das Problem ist mit der Mannschaft.

    Die ersten 15 Minuten waren sehr gut. Man riskierte vorne etwas für den Abschluss, war variabel, beweglich, willig aufs Tor zu gehen. Ballverluste wurden mit großem Elan wieder eingesammelt. Und dann fiel das 1:0.

    Ab dann geschah das gleiche wie gegen Japan. Man wog sich in Sicherheit, fuhr Intensität, Tempo und Risiko runter und verwaltete das Spiel. Sehr oft sah man speziell Rüdiger in der Quarterback-Position, stehend mit Ball am Fuß, schauend, wo selbiger jetzt hin sollte. Der ging dann mal nach links, mal nach rechts. Und kam bald wieder aus der selben Ecke zurück. Davor wurde die Bewegung konstant eingestellt – ausser der Ball kam zu Sane oder Musiala, die dann diese sekündlich rostende Maschine wieder in Schwung bringen wollten mit ihren Aktionen. Wo Sane zumeist den (gut gedachten) Risikopaß suchte, machte Musiala das Risikodribbling. Aber der Rest war nicht mehr geistig dabei.

    Und dann kam plötzlich die Chance für den Gegner. Ab hier wurde es dann ganz grauselig, weil man immer weniger riskieren wollte, weil man hinten ja bei jedem Angriff keine Souveränität und Sicherheit ausstrahlt. Ergo geschah vorne noch weniger außer eben durch Sane und Musiala, wodurch aber immer mehr Konter gefährlich aufs Tor rollte. Nach dem 1:2 dann war die Mannschaft wieder wacher und alle mehr in Bewegung, aber selbst da konnte man oft beobachten, wie wieder Rüdiger oft dastand und man sich den Ball im bedeutungslosen Raum hin und herschob.

    Ich will damit übrigens nicht Rüdiger angreifen. Sondern die ganze Mannschaft. Die sich weniger bewegte, weniger anbot, keine Überzeugung in ihren Aktionen hat, kein Vertrauen.

    Und was man spätestens seit Flicks Wirken in der Bundesliga (!) eindrucksvoll sieht: Defensivspiel gibt es bei den Topteams Dortmund und Bayern kaum noch. Und damit auch der N11 nicht. Allen 3 Teams ist es gemein, dass sie keine Zu-Null-Defensive ausstrahlen. Kommt der Gegner mit einem Angriff, dann brennt es auch direkt. Und das trotz individuell teils herausragender Spieler. Aber systematisch und vor allem taktisch fehlen jegliche Mittel, einen Angriff zu „töten“. Kein taktisches Foul, kein gutes Abdrängen – Nichts. Es ist ein reiner Mann-gegen-Mann-Sport defensiv bei allen 3 Teams, kein Mannschaftsspiel, kein „ich opfere mich für die anderen“ (und nehme die gelbe Karte).

    1. Stimme großteils zu. Auch der in einem anderen Beitrag geäußerten Wertschätzung gegenüber Lahm, der definitiv zu den ganz Großen seiner Zunft zählt.

      Diese sichtbare Unsicherheit, gepaart mit schlechter Chancenverwertung, ist für mich das größte Problem, das leider schon seit Langem sichtbar ist. Auch in der Nations League, selbst bei Führungen hatte man nie ein Gefühl von Souveränität oder ausreichender Abstimmung, vor allem, wenn der Gegner wider Erwarten doch nochmal nachsetzte. Letztendlich auch ein bisschen fahrlässig, angenommen oder gehofft zu haben, das würde sich mit gesteigerter Motivation durch die WM von alleine erledigen.

    2. Im späteren Verlauf der Hinrunde nach der kleinen Mini-Ergebniskrise hat Bayern unter Nagelsmann sehr wohl gezeigt, dass sie auch defensiv sicher stehen können. Spiele verwalten und kontrollieren ist kein großes Problem mehr, das braucht es in einer langen Saison um Kräfte zu sparen. Selbstverständlich sind die französischen Verteidiger + De Ligt auch etwas besser als die deutsche Konkurrenz. Bayern hat schon vor Jahren erkannt, dass der deutsche Nachwuchs überschaubar ist. Es ist kein Zufall, dass sie fast eine komplette französische Defensive aufbieten können neben de Ligt, der auch eine super Saison spielt. Upamecano spielt krank gute progressiv Pässe, vermutlich Top 5 CB in der Welt in dieser Metrik, vergleichbar mit Peak Boateng.

      Spätestens wenn Gnabry, Sane, Kimmich und Goretzka die besten Jahre hinter sich haben, werden die Probleme der Nationalmannschaft auch bei den Bayern ankommen. Außer Wirtz, Musiala und Moukoko gibt es niemanden der wirklich Extraklasse ausstrahlt. Bayern betrifft die Krise in der Nationalmannschaft bisher relativ wenig sportlich, dementsprechend ist es dem größten Club des Landes auch (noch) relativ egal. Wenn die Kacke am Dampfen ist, wie es auch bei den Bayern in den frühen 2000er war, wird es anders sein. Nur der BVB reicht nicht als Einfluss auf die Nationalmannschaft, um wirklich nachhaltig was zu verändern. Die NLZ werden keine Sakas, Foden und Musialas sofort produzieren, dass braucht viel Zeit, Glück und Offenheit gegenüber neuen Ideen. Insbesondere der letzte Punkt dürfte beim eingerostetem und nahezu unverändertem DFB seit 2006 schwierig werden. Frankreich hat 20+ bessere CB als Deutschland, wir haben nur Rüdiger und selbst der war nur durchschnittlich. England hat im Gegenzug unendlich viele Granaten als RV, während Deutschland ein Toptalent wie Paul Wanner im schlimmsten Fall zu den Ösis ziehen lässt.

      Ich würde mich btw mal gerne über Artikel freuen, warum der Nachwuchs in UK und Frankreich soviel besser ist btw. Nur Paris/London Bonus, Multikultimetropolen mit Menschen aus allen Ländern der Welt, die dann „nur“ noch sehr gut ausgebildet werden müssen? Das sollte in Berlin, Köln oder Frankfurt auch möglich sein. Glaube kaum, dass es am fehlenden Spielermaterial bzw Qualität liegt, sondern eher in der Ausbildung. Talente gibt es in Deutschland genug, der Großteil der U21 oder U19 sind aber international vermutlich eher guter Durchschnitt, selbst wenn sie sich gut entwickeln.

      Flicks Spielstil ist für die Nationalmannschaft nicht gemacht, erst recht in einem nur 3 Spiele langen Mini Turnier. Volle Attacke heißt wenig Kontrolle und Chaos. 2.5 vs 1.5 xG ist viel schlechter als 1.5 vs 0.5 da die Varianz viel größer ist. Musiala ist kein schlechter Abschlussspieler, er ist bei Bayern exzellent darin und überperformt seine 6 xG mit 9 Treffern in der Liga sogar deutlich. Bei einer WM möchte ich Varianz vermeiden, so wie es Frankreich und Brasilien tun. Die deutsche „voll auf Angriff“ Strategie ist umso unverständlicher, wenn du keinen Plan hast welche Viererkette du aufstellen wirst und qualitativ eher suboptimal besetzt bist in der Defensive. Alba spielt bei Spanien immer LV, egal ob er bei Barca C spielt oder nur dritte Wahl in der ersten Mannschaft ist. Rodri spielt unter Enrique auch schon eine halbe Ewigkeit IV. Flick hatte keinen Plan.

      Müller Rücktritt kommt zum richtigen Zeitpunkt ist mittlerweile auch überfällig, da es in der Nationalmannschaft viel schwieriger ist als bei den Bayern seine Raumdeuter-Fähigkeiten sinnvoll einzubringen. Bei der NT wirkt er eher verloren. Ein anderes Thema was der DFB im Auge behalten sollte, ist die Torhüterposition. Neuer wirkte in jedem Spiel unsouverän, hatte kleinere bis größere (1-2 vs Japan) Fehler bei mehreren Gegentoren und seine Qualitäten lassen auch im Spielaufbau mittlerweile deutlich nach. Ich möchte noch nicht den großen Abgesang einleiten, aber es wäre mehr als fair vor allem Ter Stegen zur EM 2024 einen offenen Konkurrenzkampf anzubieten, anstatt sich DFB like im Frühjahr 2023 auf Neuer als Torwart bei der EM festzulegen. The trend is not his friend. Fällt bei den Bayern weniger auf, aber auch da gibt es kleinere Fehler die zunehmen. Neuer hatte immer eigene Techniken und Verhaltensmuster. Früher haben sie ihn nichts gekostet, mittlerweile tun sie dies, da seine Geschwindigkeit und/oder Processing nachgelassen haben. Ein guter Torwarttrainer weiß das sicherlich auch alles, aber ich glaube es dürfte schwer sein Neuer von seinen Verhaltensmustern mit 37 nach 2 Jahrzehnten loszueisen und sein Spiel etwas anzupassen, bspw. holt er sehr gerne Schwung bevor er Bälle pariert.

  6. Vielen Dank für diesen Eintrag und auch das gesamte Tagebuch. Es ist immer wieder ein Genuss, so kompakt und kompetent eine Einschätzung zu den verschiedenen Themen zu bekommen.

    Dein Buch ist bestellt, das wird sich mit Sicherheit auch lohnen.

    Bei der Gelegenheit mal der Hinweis von mir, dass ich sehr gerne bereit wäre, für dieses Tagebuch oder ähnliche Veröffentlichungen von dir zu bezahlen (übrigens auch laufend, z.B. zu Bundesliga und Champions League, o.ä.). Sofern dies in deinen Überlegungen noch eine Rolle spielt, hattest du ja bereits im letzten Jahr mal laut drüber nachgedacht.

    Und der letzte Satz heute hat mich richtig zum Lachen gebracht, hab ich nicht kommen sehen. In diesem Sinne: Danke Tobi!

    1. (Sorry für meinen Kommentar-Spam) Eine Frage zu den Büchern: Bringt es dir mehr, das Buch via Amazon zu bestellen oder via regulären Buchhandel?

  7. aus meiner Sicht als Tatik Laie liegt das Problem tiefer
    in der Rudi – Klinsi – Jogi – Hansi Ära hat die Vermarktung der Mannschaft immer mehr zugenommen und diese erforderte attraktive Offensive, torreiche Spiele, Defensive war nicht so gefragt, möglichst alles aufregend
    dazu kommt, dass für viele Spieler und deren Berater die Nationalelf vor allemdazu benutzt wird, die Wertigkeit von sich ausserhalb der Nationalelf zu steigern
    möglichst selbst gut aussehen, keine Ausraster oder rote Karten, PR optimierte Statements
    deshalb brauchen wir einen neuen Trainer,ausserhalb einer Nivea Vermarktbarkeit, dem es nur um Fussball, besonders ergebnisorientierten geht, gerne Ausländer

  8. Es vollkommen richtig und dringend nötig nach diesem erneut frühen Turnier-Ausscheiden vor allem die Frage der personellen Zukunft des DFB aufzuwerfen. Gerade weil Bierhoff und Co die Erfolgsstory von 2014 mitgeschrieben haben, gehören sie genau wegen dieser Tatsache zu den Behinderern einer sportlich erfolgreichen Ausrichtung. Es ist auffällig, dass Bierhoff und Co immer wieder das vermeintliche „Erfolgsmuster von 2014“ suchen bzw. in die Tat umsetzen wollen und denken sie müssten nur wieder die immergleichen Puzzlestücke zusammensetzen. Da ist dann das Mannschaftshotel in Katar das „neue Campo Bahia“ und es wird die vermeintliche gleiche Teamdynamik wie in 2014 versucht zu entfachen. Das wird so niemals klappen. Kein bedeutendes Abenteuer wird deshalb erfolgreich, weil es sich genauso entfaltet wie das damals im Jahr XY. Jede erfolgreiche Unternehmung miss aus sich heraus originell und eigen sein ohne im ständigen Vergleich zu verharren. In der Philosophie und in der Psychologie sind diese Gefahren bekannt und beschrieben, es nennt sich „Fixierung“ (Psychologie) oder auch „stereotype Fixierung“ und „Ticketdenken“ (Adorno). Genau aus diesem Grund braucht es beim DFB nach Jahren der Stagnation einen großen personellen Umbruch. Die Selbsttäuschung den goldenen Schlüssel zum Glück gefunden zu haben, muss ersetzt werden mit neuen Leuten, die dem Erfolg wieder als etwas nachjagen was im Unbekannten liegt, dort wo Geschichte immer geschrieben wird.

  9. Personelle Konsequenzen müssen gezogen werden, keine Frage, nur: in welchem Ausmaß. Wenn Verantwortliche seit bis zu 18 Jahren dabei sind, frage ich mich ob die notwendigen Veränderungen gegenüber aufgeschlossen sind und entsprechende Impulse setzen können. Den Blick aufs Ausland muss man wagen und natürlich nicht alles nachmachen, aber die richtigen Schlüsse bezogen auf den eigenen Verband und damit einhergehende Möglichkeiten ziehen und Maßnahmen umsetzen. Zum Trainer-/Betreuerstab: Flick hat enttäuscht, hat während des Japan-Spiels nicht die erforderlichen Umstellungen vorgenommen, für mich war taktisch auch keine echte Idee erkennbar. Das Festhalten an bewährten Stammkräften, das hat in der Vergangenheit schon nicht funktioniert aber da ist DEU ja nun nicht alleine (siehe Belgien).

  10. Ist halt die Frage, ob es wirklich können bzw. Mangelndes Können ist, wenn man nur 6 Tore bei einem xpec Wert von 10 schießt oder doch nur Statistik 😉
    Finde deinen Ansatz mit den Abschlussspielern nicht schlecht, aber es kann eben auch einfach eine Normalverteilung sein…

    Flick: würde mit Wünschen, dass er die EM noch machen darf. Finde seinen Stil durchaus gut und ich glaube, dass er mit einer längeren Vorbereitung nochmal gewinnt.

    Auffällig:
    Kein einziges Team hat in der Vorrunde 9 Punkte geholt!

    Danke dir Toby, bin froh das wenigstens irgendwer was sinnvolles zur WM schreibt.

    P.S.: ich weiß, es ist nicht dein Sport, aber schau dir mal den blog sidelinereporter.WordPress an…

  11. Interessanter Artikel. Danke dafür.

    Schaut man sich die ersten 45min der Deutschen gegen Spanien an, dann wird deutlich warum Hansi Flick gehen muss. Entweder die Jungs wollen seine Anweisungen nicht umsetzen oder er gibt ihnen keine. Beides Gründe zu gehen.

    Hier unerklärliche Beispiele:
    -keine Idee gegen Pressing… warum?
    -lange Bälle auf Müller… warum?
    -eigenes Pressing ist unterirdisch… warum?
    -kein defensivverhalten der 3 Offensiven.. warum?
    -keine Intention hinten raus zu spielen… warum?
    -enge Räume wieder bespielen… warum?
    -jedes Mal Raum unter Druck anspielen… warum?
    – 3 Leute greifen an und 7 schauen zu… warum?

    Das sind Dinge, die ich in der 2. kreisklasse anspreche als Trainer.

    Alles wunderbar in den ersten 45min gegen Spanien zu sehen. Und nein Spanien spielt es nicht besonders hervorragend.

    Und über fehlende Jugend usw. müssen wir aktuell nicht reden. Dieser Kader ist auf dem Top Niveau. Wir sind von der Qualität der Vereinsspieler unter den Top 5. Alleine 5-7 Bayern in der Startelf sollte zeigen wie viel Qualität da ist. Und auch die Defensive spielt bei CL Clubs.

  12. Danke für den Artikel und das Tagebuch insgesamt.
    Dein Buch steht auf dem Wunschzettel für den Weihnachtsmann.
    Kompliment auch an die Kommentatoren hier, ich bekomme hier sehr viel Input und lerne ständig dazu.
    Als taktischer Laie stellt sich mir doch eine Frage bezüglich der mich eure Meinungen sehr interessieren würden.
    In Anbetracht der nicht vorhandenen Vorbereitung, wäre der Versuch eine Kopie der zuletzt so erfolgreichen Bayern Mannschaft aufzustellen eine absurde Vorstellung?
    Mir ist klar dass bei einer WM klassischerweise eine stabile und eingespielte Defensive am erfolgversprechendsten ist. Eine solche war für mich aber nicht annähernd in Sicht. Ich hatte auf eine Flucht nach vorne gehofft.
    Vielleicht hätte man mit einem Mittelfeld aus Goretzka und Kimmich, mit Musiala auf der 10 davor und einem Füllkrug als Ersatz für Choupo-Moting auf der 9 eine ähnlich erfolgreiche Offensive erhalten. In meinen Augen hat Flick diese Option für einen Gündogan und einen formschwachen Müller geopfert.
    Oder ist dieser Gedanke nonsens, weil eine Übertragung auf die WM unmöglich ist, oder die vorhandenen Spieler in der Abwehr, oder die Umstellung der Abwehrspieler auf die Bayerntaktik, oder andere Gründe dies unmöglich machen?

  13. Finde die schwache Defensivarbeit, insbesondere das schlechte Game Management gegen Japan, muss bei der Analyse im Zentrum stehen. Die Chancenverwertung mag (auch) fürs Ausscheiden verantwortlich gewesen sein, aber die ist nun mal stark von Glück/Pech bzw. Varianz geprägt und deshalb nur bedingt beeinflussbar. An der Spielidee bzw. an der strategischen Ausrichtung des Teams sowie an taktischen Details kann man viel einfacher Einfluss nehmen. Und nochmals, genau diese Dinge waren es auch, die Deutschland das Turnier gekostet haben.

    Der Auftritt gegen Japan in der zweiten Halbzeit war einfach brutal schlecht. Es wurde ausgewechselt, wie man sich das im Vorfeld wohl zurecht gelegt hatte anstatt auf die veränderte Situation im Spiel zu reagieren. Japans Umstellungen und neu eingebrachte Stärken, z.B. den Speed von Asano, wurde zu wenig Rechnung getragen. Man hatte nicht die Ruhe, das Spiel kontrollierter zu führen und notfalls einen Punkt mitzunehmen. Schliesslich konnte man sich nicht auf die Eingespieltheit in der Defensive oder einen pragmatischen Plan B abstützen.

    All diese Dinge brauchts für erfolgreichen Turnierfussball unbedingt. Man kann meinetwegen primär offensiv eingestellt sein, muss zumindest als Plan B aber defensiv orientierten Fussball spielen können und diesen im Vorfeld auch eingespielt haben. Und man muss Spiele richtig lesen und reagieren können.

    Angesichts dessen brauchts Wechsel beim DFB, gerade auch auf der Trainerposition. Einen bestimmten Stil spielen zu lassen, zumal einen eher risikobehafteten, und in taktischen Details nachlässig zu sein, reicht nicht.

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