Friedrich Merz hatte es sich so schön ausgemalt. Als Mann der Tat wollte er dastehen. Als jemand, der nicht nur hohle Worte schwingt. Ein Politiker, der endlich die Probleme des Landes anpackt. Und welches Problem ist aus Sicht des deutschen Volkes größer als die Migration?
Friedrich Merz hat die Rechnung ohne die Realität gemacht. Während einer denkwürdigen Woche im Bundestag wurde viel geredet, gezetert, geschrien. Am Ende ist aus rechtlicher Sicht alles wie vorher.
Betrachtet man die Posse um Merz‘ Gesetzesvorschlag nüchtern, kann man nur zum Schluss kommen: Merz hat nach allen Maßstäben klassischer Politik versagt. Sein Gesetzesvorschlag hat den Bundestag nicht passiert, es wird sich also de facto nichts verändern. Er hat der AfD zu einem Einfluss verholfen, die noch keine rechtsextreme Partei in der Geschichte der Bundesrepublik hatte. Zugleich hat die Union das Verhältnis zu SPD und Grünen, den vermeintlichen Koalitionspartnern nach der Wahl, nachhaltig beschädigt. Das Echo in den klassischen Medien ist daher eindeutig: Merz hat schlechte Politik abgeliefert. Er hat seiner Partei und dem Land geschadet.
Das Problem ist: Vielen Wählern geht es im Jahr 2025 nicht vorrangig um gute Politik im klassischen Sinne. Es geht darum, ihren Durst nach Veränderung zu stillen. Nicht wenige sehnen sich nach dem starken Mann, der uns in glorreiche Zeiten (zurück-)führt. Es geht um einen alten Begriff, der plötzlich wieder in Mode kommt: Es geht um Macht.
Die Friedrich-Ebert-Stiftung fragt alle paar Jahre in ihrer „Rechtsextremismus“-Studie autoritäre, rassistische und demokratiefeindliche Einstellungen in der Bevölkerung ab. Eine der Aussagen, die den Teilnehmern vorgelegt wird, lautet: „Wir brauchen starke Führungspersonen, damit wir sicher leben können.“ 52% stimmten eher zu, nur 17% verneinten diese Aussage. 45% finden, „demokratische Parteien zerreden alles und lösen keine Probleme.“ Nur 22% lehnen diese Meinung ab. Es ist jeweils ein starker Anstieg im Vergleich zu früheren Umfragen.
Selbst in liberalen Kreisen setzt sich diese Einstellung immer häufiger durch. Es gibt Klimaschützer, die eine Ökodiktatur fordern, um den Klimawandel zu bekämpfen. Es sind aber vor allem rechts gesinnte Personen, welche demokratische Prinzipien abschaffen wollen zugunsten eines starken, durchgreifenden Staates.
Angesichts von Krisen auf der Welt – eingebildet und real – verfängt diese Position. Reden die deutschen Politiker nicht schon seit Jahren davon, die Migration zu begrenzen? Warum tun sie es denn nicht? Warum haut denn niemand auf den Tisch? Merz wollte diese Fantasie befriedigen. Seht her, hier ist endlich jemand, der etwas tut und nicht nur redet! Donald Trump bedient sich in den ersten Tagen seiner Präsidentschaft ähnlicher Mechanismen.

Medienwirksam unterschreibt Trump ein Dekret nach dem nächsten. Kamerateams begleiten seine Abschiebeoffensive, Fox News überträgt live. Trumps Ministerin für Innere Sicherheit, Kristi Noem, rückt mit dem FBI aus und trägt dabei Uniform. Alles für die Kamera. Es ist der Weg, den eigenen Anhängern zu signalisieren: Wir kümmern uns! Wir machen das, was ihr fordert! Gleichzeitig bekommen politische Gegner signalisiert: Seht her, wer hier die Macht hat! Ihr kommt nicht gegen uns an!
Es ist das große Missverständnis von Linken wie Liberalen, dass sie sich an der Frage abarbeiten, ob die Handlungen der Autoritären gute Politik sind, ob Trumps Zölle den amerikanischen Bürgern schaden, ob Merz‘ Gesetzespläne tatsächlich die Migration begrenzen. Es interessiert ihre Anhänger nicht. Sie wollen, dass endlich jemand etwas tut – egal, wie drastisch und undemokratisch es ist.
Der Wunsch nach starken Persönlichkeiten war nie verschwunden. Als Sportjournalist kann ich davon ein Lied singen. Wenn Deutschlands Nationalmannschaft versagt, wird sofort ein „Leader“ gefordert, der seine Mitspieler mitreißt. Da ist es egal, wie schlecht die Taktik der Mannschaft war, wie unfit sie in ein Spiel gegangen ist, wie viel Pech oder Unvermögen sie verfolgte. Ein starker Mann hätte es schon gerichtet.
Nicht nur im Sport sehnen sich viele Menschen nach Führung. In den Sozialen Medien gehen immer häufiger Beiträge von Menschen viral, die in aggressivem Ton fordern, dass endlich dieses oder jenes verändert wird, und zwar Pronto! Wenn die ältere Generation auf die Jugendlichen schimpft, heißt es gerne: Da muss mal jemand hart durchgreifen! Vier der zehn erfolgreichsten Filme dieses Jahrtausends haben Superhelden als Hauptfiguren: übermenschliche Figuren, die Probleme durch pure Ausübung ihrer Macht lösen. Der starke Mann ist präsent in unserer Kultur, in unserem Alltag, in unserem politischen Denken.
Gleichzeitig treffen diese Entwicklungen auf eine Gesellschaft, die in Teilen versucht, sich von autoritären Mustern zu befreien. In Schulen und Bildungseinrichtungen ist der Lehrer nicht mehr die unfehlbare Autorität, die nicht kritisiert werden darf. In Firmen werden Mitarbeiter angehalten, sich in flachen Hierarchien zu vernetzen. Politische Entscheidungen auf lokaler Ebene werden breit kommuniziert, auf Diskussionsabenden stellen sich die Verantwortlichen ihren Wählerinnen und Wählern.
Diese Bemühungen treffen zunehmend auf Widerstand. Eine Absage an den autoritären Führer bedeutet auch immer eine Diffusion von Macht. Teilweise wird es so diffus, dass sich Macht- in Verantwortungslosigkeit wandelt. Wer sich noch nie bei einem Elternabend gewünscht hat, irgendjemand möge mal bitte auf den Tisch hauen und die nervige Diskussion beenden, der werfe den ersten Stein. Zahlreiche Menschen tragen diese Gefühle in sich. Sie sind nicht unbedingt in der Mehrheit – machen aber eine zunehmend laute wie aggressive Gruppe aus. Autoritäre Politiker machen sich diese Gefühle zunutze.
Interessant ist dabei die Tatsache, dass der Aufstieg von Populismus und Autoritarismus kein lokal begrenztes Phänomen ist. Wenn die AfD in Deutschland Rekordergebnisse einfährt, greift schnell der Reflex: Die Politik hat versagt! Sie hat die AfD stark gemacht! Doch das erklärt kaum, warum autoritäre Parteien und Politiker in Ungarn wie in Italien, in Schweden wie in Frankreich, in Brasilien wie in Südkorea triumphieren. Diese Länder könnten unterschiedlicher kaum sein – und doch sind autoritäre Parteien und Gesinnungen in all diesen Ländern in den vergangenen zwanzig Jahren stetig gewachsen.
Diese parallelen Prozesse lassen sich auch durch die zunehmende Globalisierung erklären: Die Menschen auf der Welt konsumieren zunehmend die gleichen Dinge. Sie essen bei McDonald’s, sehen dieselben Superheldenfilme, bekommen von Instagrams und TikToks Algorithmen dieselben Videos in ihre Timeline gespült. Dass die Menschen von ihren Politikern fordern, Macht auszustrahlen, hat nicht nur, aber sicherlich auch mit diesen kulturellen Einflüssen zu tun.
Beschränkung von Macht in einer Demokratie ist kein Bug. Es ist ein Feature. Das deutsche System ist hierfür der vielleicht eindrücklichste Beleg. Es entstand als direkte Reaktion auf die Gräuel und die Unmenschlichkeit des nationalsozialistischen Deutschlands. Die obersten Ziele des deutschen Grundgesetztes sind ein stabiles politisches System – und die Beschränkung der Macht des Einzelnen.
„Checks and balances“ sind ein wichtiger Teil eines jeden demokratischen Systems. Sie sind essenziell, damit sich kein autoritärer Führer dieses Systems bemächtigen kann. Im deutschen System sind diese „checks and balances“ noch einmal prominenter angelegt als in den meisten anderen Staaten. Deutschlands Staatsoberhaupt hat nur eine repräsentative Funktion; die Gerichte genießen einen hohen Einfluss und lassen sich von der Regierung nur schwer kontrollieren; ein Durchregieren ist angesichts der hohen Wichtigkeit des Bundesrats quasi unmöglich. Das System an sich ist auf den breiten Kompromiss angelegt. Die Logik: Ein Staat müsse für all seine Bürger funktionieren und dürfte nicht in einer Diktatur der Mehrheit ausarten.
Autoritäre Parteien machen sich als Erstes daran, diese „checks and balances“ zu schleifen. Orban ist den autoritären Parteien der Welt ein Vorbild: Er hat zunächst die Medien und dann das Justizsystem unter seine Gewalt gebracht. All das Lästige, das Debattieren, das Schließen von Kompromissen, die Rücksicht auf andere politische Meinungen, die Rechte von Minderheiten: Es wird abgewickelt.
Vor der Bundestagswahl umtreibt mich die politische Gemengelage der Welt. Jeder findet einen anderen Weg, mit der aktuellen Nachrichtensituation umzugehen. Meiner ist das Schreiben. Aus diesem Grund fertige ich sechs Essays an, in denen ich meine Gedanken über die aktuelle Entwicklung der Welt auskotze. Ich orientiere mich dabei an einem Konzept von Marvels Superhelden-Comics: den Infinity-Steinen. Sie repräsentieren in der Marvel-Welt die unterschiedlichen Facetten des Universums: Macht, Raum, Zeit, Realität, Gedanken, Seele. Ich möchte mich grob anhand dieser Oberbegriffe durch die Welt leiten lassen. Erwartet bitte keine zu tiefsinnigen Gedanken. Es geht nur darum, für mich selbst Ordnung in eine unordentliche Welt zu bringen.
Sie genießen dafür immer mehr Unterstützung in der Bevölkerung. Um ihre Macht zu demonstrieren, greifen Autoritäre zu einem einfachen Trick: Sie blähen Probleme auf. Man stelle sich einen Bürgermeister vor, der seiner Stadt als größtes Problem einen freilaufenden Bären verkauft. Wenn dieser Bär weg ist, sind wir alle endlich sicher! Sobald der Bürgermeister mit dem Bärenfell vor die Meute tritt, kann er sich des Beifalls sicher sein.
Autoritäre Kräfte haben daher ein hohes Interesse daran, die Gesellschaft als bedroht darzustellen. Migranten bedrohen die Sicherheit! Die Energiewende bedroht die Energieversorgung! Das Heizungsgesetz bedroht unsere Wirtschaft! Wenn man diese Probleme löst, kann man selbst Macht demonstrieren – oder darstellen, dass der politische Gegner ja gar kein Interesse an der Lösung der vermeintlichen Probleme hat, nur weil er nicht zu äußerster Machtdemonstration greift.
Das Problem ist, dass demokratische Systeme keine solche Machtausübung vorsehen – völlig zurecht. Es geht darum, die Interessen unterschiedlicher Bevölkerungsschichten zusammenzubringen und einen Kompromiss zu erarbeiten. Das ist ein langsamer, oft schmerzhafter Prozess, der aber sicherstellt, dass am Ende niemand unter die Räder kommt, am wenigsten die Schwächsten der Gesellschaft. Das, was häufig als „fauler Kompromiss“ ausgegeben wird, ist in Wahrheit der Triumph des Parlamentarismus.
Insofern ist Merz‘ Wette, mit einer Machtdemonstration im Bereich Migrationspolitik die AfD einzudämmen, langfristig zum Scheitern verurteilt. Die Unionsparteien sind qua ihres Status und ihrer Geschichte der Demokratie verpflichtet. Merz kann nicht am ersten Tag seiner Kanzlerschaft einfach per Dekret sein Gesetz verordnen. Er wird es mit seinem Koalitionspartner verhandeln müssen, er wird die Interessen und Bündnisse seiner Landesfürsten im Bundesrat bedenken müssen, er wird deutsches wie europäisches Recht einhalten müssen.
Es droht eine Kollision zwischen der Macht, die Merz ausstrahlen möchte, und der Macht, die er im Falle der Wahl zum Bundeskanzler tatsächlich hat. Es ist wie geschaffen für die Erzählung der AfD, nur mit ihr sei ein neuer Staat zu machen – weil sie die Machtbeschränkungen des politischen Systems aushebeln wird.
Die Beschränkung von Macht kommt im 21. Jahrhundert aber auch aus einer anderen Richtung. Liz Truss kann ein Lied davon singen. Am 8. September 2022 hatte sie ihr Ziel erreicht: Sie war Premierministerin des Vereinigten Königreichs geworden. Sofort machte sie sich ans Werk, die Politik umzusetzen, welche sie der Basis ihrer Partie versprochen hatte: massive Steuersenkungen gepaart mit einem Konjunkturpaket. Der britische Staat sollte Rekordschulden aufnehmen, um die Wirtschaft anzukurbeln.
Durch die bloße Ankündigung löste Truss einen wirtschaftlichen Schock aus. Investoren sahen in den Plänen keinen Garanten für Wachstum, sondern eine Gefahr für den britischen Staatshaushalt. Die Finanzmärkte entzogen Großbritannien sofort das Vertrauen. Die Zuschläge für Staatsanleihen und britische Fonds schossen in die Höhe, der Wert der Papiere sank schlagartig. Binnen weniger Tage drohte die britische Pensionskasse zu implodieren. Dieses Ereignis hätte das Finanzsystem in Europa, womöglich sogar weltweit in eine tiefe Krise gestürzt. Letztlich konnte die Krise im letzten Moment abgewendet werden – aber nur, indem Truss zunächst von ihren Plänen und wenig später von ihrem Amt ließ.

Macht demonstrieren ist die eine Seite der Medaille. Über Macht verfügen ist die andere. In Filmen werden Politiker gern als allmächtige Persönlichkeiten dargestellt. Sie spinnen im Hintergrund ihre Intrigen, entscheiden frei nach ihrem Gusto und zu ihrem Nutzen. Es ist das Bild, das Menschen von Politikern haben und bestätigt sehen wollen: Sie verfügen über Macht, also sollen sie diese im Sinne des Volkes benutzen.
In der vernetzten Welt des 21. Jahrhunderts ist jedoch selten klar, wer tatsächlich über Macht verfügt. Unsere Wirtschaft, unsere Kultur, unser Klima und unsere Natur: In allen Bereichen sind die Länder dieser Erde untrennbar miteinander verbunden. Die Corona-Pandemie hat zahlreiche Verflechtungen und Abhängigen offengelegt. Wenn China einen Lockdown beschließt, hat dies direkte Auswirkungen auf die deutsche Versorgung mit lebenswichtigen und -unwichtigen Produkten. Die Finanzkrise 2008 ist ein weiteres Beispiel: Der Zusammenbruch einzelner US-Banken sorgte für eine Wirtschaftskrise in der gesamten Welt.
Es ist der Preis für die Globalisierung. Die größten Firmen der Welt operieren multinational. Autos werden nicht mehr an einem Standort produziert, sondern im Just-In-Time-Verfahren über viele Länder verteilt. Netflix‘ größter Erfolg der vergangenen Jahre war keine US-amerikanische, sondern eine koreanische Produktion. Unser Energiesystem, unsere Versorgung mit Medikamenten, unsere täglichen Freizeitbeschäftigungen am Handy: All diese Dinge sind weltweit vernetzt. Kein Politiker kann heute eine Entscheidung treffen, ohne dass diese an zig Stellen auf der Welt Auswirkungen hat.
Aus diesem Grund besteht die politische Welt aus vielen sichtbaren und unsichtbaren Beschränkungen. Verträge regeln den Außenhandel, Energieexporte, Klimaschutzziele. Viel von unserem Wohlstand, ja sogar von unserer Lebensweise hängt daran, dass diese unsichtbaren Verbindungen halten, seien es die Handelsströme der Welt, die globalen Finanzmärkte oder das Internet.
Was politische Entscheidungen häufig bremst, ist die Umsicht, in welcher Form eine Entscheidung die eigene Nation und die ganze Welt beeinflusst. Kein Politiker möchte enden wie Liz Truss. Also werden Gutachten eingeholt, Experten befragt, Gesetze bis ins kleinste Detail geschliffen. Zu groß ist die Gefahr, dass eine undurchdachte politische Handlung Schaden ausübt, den man vorher nicht kalkuliert hat. Die vernetzte Welt macht ein Durchregieren einer einzelnen politischen Bewegung unmöglich.
Das, was Leute von Politikern fordern, steht in einem krassen Kontrast zu dem, was Politiker liefern können. Oder besser gesagt: liefern sollten. Denn natürlich lassen sich auch auf internationaler Bühne Positionen mit Macht durchdrücken. Donald Trump macht keinen Hehl daraus, Macht in dem Sinne auszuspielen, wie er sie versteht: als Rechts des Stärkeren. Er droht seinen engsten Handelspartnern mit Zöllen, um seine eigenen Interessen durchzusetzen. Als Kolumbien etwa die Rücknahme von abgeschobenen Landesbürgern verweigerte, bedrohte Trump sie mit Strafzöllen, bis die Südamerikaner einknickten. Trumps Politik funktioniert kurzfristig: Er bekommt, was er will, und kann sich zugleich für seine Anhänger als mächtiger Mann aufplustern.
Macht auf der einen Seite sorgt jedoch immer für Ohnmacht auf der anderen. Kolumbien ist traditionell einer der engsten Verbündeten der USA in Südamerika. Eigentlich hat die kolumbianische Elite wenig Interesse an schlechten Beziehungen zu dem mächtigen Staat im Norden. Doch kein Politiker kann überleben, wenn er den Eindruck vermittelt, komplett machtlos zu sein. China jedenfalls reibt sich schon die Hände: Sie werden bereitstehen, wenn Staaten wie Kolumbien neue Verbündete suchen – und sei es nur, um den USA eins auszuwischen.
Selbst die EU – in der Machtausübung angesichts ihrer komplexen Gemengelage aus 27 Mitgliedsländern traditionell seicht – wird gegen Trump harte Kante zeigen müssen, um einen Rest an politischer Legitimität zu wahren. Niemand möchte sein Gesicht verlieren. Das ist der Vorteil von Kompromissen: Sie ermöglichen allen Seiten, am Ende einer Verhandlung ihr Gesicht zu wahren. Trump ist nicht an Kompromissen gelegen, sondern am Ausnutzen der amerikanischen Macht, damit er seine persönliche Macht umso stärker zur Schau stellen kann.
Friedrich Merz wird ebenfalls Verbündete brauchen. Es erscheint unwahrscheinlich, dass sein Eintreten für eine härtere Migrationspolitik der Union zu einer Alleinregierung verhilft. Selbst dann sieht unser politisches System keine Machtergreifung durch den Wahlsieger vor.
Merz hatte sich schon in den Wochen zuvor in eine schwere Lage gebracht, was vermeintliche Koalitionsverhandlungen angeht. Markus Söders Absage an eine Koalition mit den Grünen bedeutet praktisch, dass die SPD als einziger Koalitionspartner übrigbleibt. Sie können genüsslich ausspielen, dass sie Merz‘ einzige Machtoption darstellen, und den Preis nach oben treiben.
Seine einzige Alternative ist jene Partei, die sich selbst als einzige Alternative sieht. Um Macht zu demonstrieren, hat Merz mit einem Tabu gebrochen: der Nichtzusammenarbeit mit der AfD. Er hat der Partei damit zugleich etwas verschafft, was ihr bislang schmerzlich fehlte: nämlich Macht. Wähler der AfD konnten dem politischen Betrieb zwar den Mittelfinger zeigen. Sie mussten sich aber sicher sein: Ihre Stimme wird sich nicht in einer Regierungsbeteiligung niederschlagen. Die AfD war im realpolitischen Sinne machtlos.
Bis jetzt. Es ist Merz nicht zuzutrauen, dass er mit der AfD koaliert. Dazu ist die Geschichte der CDU/CSU zu sehr eine Geschichte der Ablehnung des Faschismus. Es ist aber keineswegs gesagt, dass auch in vier, acht oder zwölf Jahren noch eine solche Position gilt. Es ist eine Tür geöffnet, die einen Abbau der Gewaltenteilung zwischen allen zu einer autoritären Machtausübung der Wenigen öffnet. Und was macht Merz, wenn die Leute ihn nach all seinen Machtgesten als jemanden wahrnehmen, der diese Versprechungen gar nicht einhalten kann?
Auch in Deutschland ist Macht wieder eine zentrale politische Größe. Egal, ob Merz am Ende Kanzler wird und wie er das anstellt: Er muss sich in einer Welt zurechtfinden, in der Politiker auf die Wirkkraft der Macht setzen.
Das Titelbild zeigt die Infinity Steine und stammt von Petr-fomin. Lizenz: CC BY-NC 4.0.
Sehr guter Kommentar Herr Escher zur aktuellen politischen Lage. Sie sprechen mir aus meiner Seele und ich hoffe das Sie weitere Kommentare bis zur Bundestagswahl am 23. Februar veröffentlichen.